Highlights 2015

Forschungsnachrichten aus dem Bereich Plasmarand und Wand


Internationale H-Mode-Experten im Institut

Um einen besonderen Plasmazustand, die H-Mode, ging es bei einem Workshop im IPP in Garching. Es diskutierten Wissenschaftler aus Europa, den USA und Asien.

Das IPP in Garching war vom 19. bis 21. Oktober Gastgeber für den 15. „International Workshop on H-Mode Physics and Transport Barriers“. Damit wurde eine internationale Konferenzreihe fortgesetzt, die alle zwei Jahre eine Neuauflage erfährt und etwa bereits in Fukuoka in Japan (2013), Oxford in Großbritannien (2011) und Princeton in den USA (2009) gastierte.

Im Fokus des Workshops stehen Forschungsthemen, die gegenwärtig intensiv untersucht werden und für das spezielle Forschungsgebiet der Transportbarrieren in Tokamaks sehr wichtig sind. Das Konferenzkomitee, dessen Mitglieder aus China, Europa, Japan, Russland, Südkorea und den USA kommen, wählt die Themen aus und lädt je Thema einen Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin dazu ein, einen aktuellen Gesamtüberblick über die in der ganzen Welt erbrachten experimentellen und theoretischen Ergebnisse zu geben. Nicht nur etablierte Personen, sondern auch Nachwuchsforscher und -forscherinnen wurden auch diesmal hierfür ausgesucht. Sie alle leiteten im Anschluss an ihre Vorträge lebhafte Diskussionen.

Die Konferenz zählte insgesamt 95 Teilnehmer aus 15 Ländern (43 Europa, 26 USA, 25 Asien), die fast 80 Beiträge in Form von Postern präsentierten. Die Themen reichten von der Turbulenz in Transportbarrieren bis hin zu der Frage, wie sich in der Plasmarandschicht Verunreinigungen auf die Stabilität der Transportbarriere auswirken. Ziel des Workshops ist es, eine Plattform bereitzustellen, auf der ausführlich diskutiert werden kann. Dadurch werden der Wissensaustausch gefördert und dort, wo dies vielversprechend erscheint, Kooperationen in die Wege geleitet. Die Konferenzbeiträge werden einschließlich der Überblicksvorträge in Form von referierten Arbeiten gesammelt und in einer Sonderausgabe der Fachzeitschrift Nuclear Fusion veröffentlicht werden.

 

 Elisabeth Wolfrum und Mike Dunne

Experimentelle Validierung eines Transportmodells für Plasmafilamente am Rand von Fusionsplasmen

Es ist bekannt, dass der Transport von Teilchen und Energie im Bereich zwischen dem eingeschlossenen Plasma eines Tokamaks und der Wand, genannt Scrape-off Layer (SOL), im Wesentlichen durch Filamente oder Blobs hervorgerufen wird, also durch entlang der Feldlinien elongierte turbulente Strukturen. Bei ansteigender Dichte bildet sich in vielen Tokamaks eine Dichteschulter in der SOL aus, wodurch die Plasmawandwechselwirkung verstärkt wird. Für eine Vorhersage der Wandbelastung in zukünftigen Fusionsreaktoren ist daher ein besseres Verständnis der Dynamik der Filamente erforderlich. 

Analytische Modelle sagen einen grundlegenden Wechsel der Dynamik vorher, wenn die Stoßrate der Elektronen einen kritischen Wert überschreitet, was zu größeren und schneller propagierenden Filamenten und damit einem erhöhten Transport führt. Durch die Analyse von an den Tokamaks ASDEX Upgrade und JET aufgenommenen Langmuir-Sondendaten konnte jetzt der Übergang zu größeren Filamenten und erhöhtem Transport mit den Plasmaparametern im Divertor, gegeben durch eine effektive Kollisionalität Λdiv, in Verbindung gebracht werden. Das physikalische Modell erklärt den Übergang dadurch, dass die Filamente bei Λdiv > 1 von den Prallplatten des Divertors elektrisch isoliert werden. Ihre Dynamik  folgt dann nicht mehr den Gesetzen des schichtlimitierten sondern des inertialen Regimes, was größere Filamente nach sich zieht und die Dichteschulter entstehen lässt. Die Abbildung zeigt den Übergang anhand der Dichteabfalllänge in der SOL λn, die ein Maß für die Dichteschulter ist und für Λdiv > 1 stark anwächst. Diese Arbeit wurde jetzt zur Publikation angenommen (D. Carralero et al, Phys. Rev. Letter 2015).

Virtuelles Institut zur Turbulenzforschung besteht erfolgreich die Zwischenevaluation

Das durch E2M geleitete Helmholtz Virtuelle Institut „Plasma Dynamical Processes and Turbulence Studies using Advanced Microwave Diagnostics“ wurde im Juni durch die HGF evaluiert und mit der Bestnote „A“ bedacht. Damit wird das Virtuelle Institut ohne weitere Auflagen für die nächsten zwei bis drei Jahre weiter gefördert. Unter dem Schirm des Virtuellen Instituts haben sich neun internationale Fusionslabors und Universitäten zusammengetan, um einen international sichtbaren Schwerpunkt in der Untersuchung des turbulenten Transports an Fusionsanlagen zu schaffen.

Das Virtuelle Institut hat sich zum Ziel gesetzt, durch eine enge Verzahnung von Experiment und Theorie das Verständnis der Plasmaturbulenz und des turbulenten Transports voranzutreiben. Im Rahmen des Virtuellen Instituts, an dem 13 Doktoranden an verschiedenen Fragestellungen arbeiten, wurden zahlreiche Reflektometer an ASDEX Upgrade installiert, die teilweise von den Partnern zur Verfügung gestellt und betrieben werden. Die Abbildung zeigt die zeitliche hochaufgelöste Entwicklung des Dichteprofils im L-H-Übergang, gemessen mit einem ultraschnellen Reflektometer vom CEA, das von einer gemeinsamen Doktorandin von CEA und IPP an ASDEX Upgrade betrieben wird.

Weitere Informationen sind hier nachzulesen:

Nucl. Fusion 55 (2015) 083027 - http://stacks.iop.org/0029-5515/55/083027

PFMC-15 Posterpreis für Gerd Meisl

Gerd Meisl vom Bereich E2M erhielt auf der PFMC-15 (15th International Conference on Plasma-Facing Materials and Components for Fusion Applications), die vom 18. bis 22. Mai in Aix-en-Provence stattgefunden hat, den von der Zeitschrift Physica Scripta gesponsorten Posterpreis.

Der Preis richtet sich an junge Wissenschaftler (Doktoranden und PostDocs) „in Anerkennung der Qualität ihrer bei der PFMC-15 präsentierten Arbeiten“.

Sein Posterbeitrag mit dem Titel „Simulating the nitrogen migration in Be/W tokamaks with WallDYN“ beschäftigte sich mit dem Verunreinigungstransport und der sich daraus ergebenden Stickstoffakkumulation in JET und ITER. Stickstoff wird gezielt in das Plasma eingeblasen um die Plasmarandschicht abzukühlen. Durch die chemische Wechselwirkung von Stickstoff mit den Oberflächenmaterialien Wolfram und Beryllium sind dabei die Plasma-Wand-Wechselwirkungsprozesse deutlich komplexer als in Entladungen, in die Edelgase eingeblasen werden.

Das nebenstehende Bild zeigt die lokale Verteilung der Stickstoff-Rückhaltung in einer simulierten erwarteten ITER-Entladung. Hohe Stickstoff-Rückhaltung (rot und braune Bereiche) tritt dort auf, wo viel Beryllium deponiert wird. Der dabei dominierende Prozess ist die Co-Deposition von Stickstoff mit Beryllium.

GLADIS: Qualitätsbewertung des Divertors von Wendelstein 7-X erfolgreich abgeschlossen


Von 2005 bis 2010 wurden insgesamt 60 Prototypen für die aktiv gekühlten Divertortargets des Wendelstein 7-X getestet. In dieser Zeit wurde zusammen mit Plansee SE eine Herstellungstechnologie für die hochbelasteten Divertorbereiche entwickelt, die die Anforderungen des Langpulsbetriebes erfüllt. Die Prototypen der Vorserie haben die Robustheit des letztendlich gewählten Designs und der Technologie bewiesen. Spezifiziert für den Langpulsbetrieb mit 10 MW/m², konnten Prototypen bis 30 MW/m² im Wärmeflussteststand GLADIS belastet werden.

Mit seinen zwei Ionenquellen zu je 1 MW Leistung, der 8 m³ Vakuumkammer und der leistungsfähigen Wasserkühlung bietet GLADIS die Möglichkeit das thermische Verhalten von Objekten unterschiedlichster Größe unter höchsten Belastungen zu untersuchen.

Von 2011 bis Anfang 2015 wurden 86 der insgesamt 970 gelieferten Komponenten bewertet. Dazu sind alle CFC-Ziegel (Kohlefaserkomposit) mit 100 Zyklen zu 10 MW/m² und 10 s Dauer belastet worden. Der Temperaturanstieg der CFC-Ziegel, bedingt durch die thermomechanische Belastung, wurde statistisch bewertet. Es konnte gezeigt werden, dass trotz des gering erscheinenden Testumfanges, die Wahrscheinlichkeit für einen unerkannten defekten CFC-Ziegel  vernachlässigbar ist (< 1 x 10-10).

Die weiteren Untersuchungen für den Divertor von Wendelstein 7-x werden sich auf Diagnostik für die Infrarotüberwachung sowie den thermischen Test kompletter Divertormodule konzentrieren.

Einfluss der Plasma-Wand Wechselwirkung auf den Stickstofftransport in Fusionsexperimenten

Die Kontrolle der Plasma-Wand Wechselwirkung ist eine der größten Herausforderungen auf dem Weg zu einem Fusionsreaktor. Ein wichtiger Schritt zur Bewältigung dieser Herausforderung waren Experimente am Tokamak ASDEX Upgrade: Diese haben gezeigt, dass durch die Zugabe von Stickstoff zum Plasma der Leistungsfluss auf die Wand reduziert und gleichzeitig die Plasma-Performance verbessert werden kann. Dabei wurde aber auch festgestellt, dass Stickstoff aus dem Plasma in die Wolframoberflächen von ASDEX Upgrade implantiert und dort chemisch gebunden wird. Die Abbildung illustriert die vielfältigen Wechselwirkungen von Stickstoff mit einer Wolframoberfläche.

Durch die Kombination von Laborexperimenten, Computersimulationen und dedizierten Experimenten an ASDEX Upgrade gelang es nun erstmals, diese Wechselwirkung quantitativ zu beschreiben. Das zugrunde liegende physikalische Bild ist in der Abbildung gezeigt: Durch die Implantation von Stickstoff in Wolfram kommt es zur Bildung von Wolframnitrid. Da Stickstoff aber nicht in das Material hineindiffundiert, kann die Oberfläche nur eine begrenzte Menge an Stickstoff aufnehmen, und überschüssiger Stickstoff entweicht zurück in das Plasma. Die Kombination des entwickelten Oberflächenmodels mit Plasmatransportrechnungen im Code WallDYN beschreibt die Stickstoffbilanz in ASDEX Upgrade und zeigt, dass sie von der Einlagerung in der Oberfläche dominiert wird.

 

Mit diesen Arbeiten hat Gerd Meisl am 15.01.2015 an der TU München promoviert.

G. Meisl et al., New J. Phys. 16, 093018 (2014),
http://dx.doi.org/10.1088/1367-2630/16/9/093018

G. Meisl et al., J. Nucl. Mater. 463 (2015) 668,
http://dx.doi.org/ 10.1016/j.jnucmat.2014.10.031

Experimentelle Untersuchungen und numerische Modellierung des Divertordetachments in H-Mode Plasmen in ASDEX Upgrade

In zukünftigen Fusionskraftwerken gefährden hohe Leistungsflussdichten auf die Wandmaterialen im Divertor deren Beständigkeit. Nach heutigem Verständnis ist die Ablösung des Plasmas von den Prallplatten des Divertors notwendig sowohl um die Divertorkomponenten thermisch nicht zu überlasten als auch um die Materialerosion vertretbar niedrig zu halten.

Dieser als Detachment bezeichnete Zustand wurde nun erstmals in ASDEX Upgrade in einem vollständig mit Wolfram ausgekleidetem Tokamak in Plasmen in der fusionsrelevanten H-Mode erreicht.

Das gezielte Einbringen von Stickstoff in das Plasma verursacht zusätzliche Linienstrahlung, welche das Divertorplasma kühlt und so Detachment ermöglicht. Die beobachtete Strahlungsverteilung zeigt eine starke Konzentration oberhalb des sog. X-Punkts (s. Abbildung), was auf eine niedrige Temperatur und auf starke parallele Variationen der Plasmaparameter auf geschlossenen Flussflächen hinweist.

Das Detachment wurde mit dem SOLPS-Code erfolgreich modelliert. Mit der Annahme eines erhöhten Transports des Plasmas senkrecht zu den Magnetfeldlinien im Divertor zeigen fast alle experimentelle Messungen gute Übereinstimmung mit der Simulation.

 

Mit diesen Arbeiten hat Felix Reimold am 08.01.2015 an der TU München promoviert.

 

Reimold et al., Nuclear Fusion 55 3 (2015) 033004
Reimold et al., Journal of Nuclear Materials Submitted (2015)

EUROfusion fellows

Dr. Matthias Willensdorfer ist seit Dezember 2013 am IPP als Postdoc angestellt und zuständig für die ECE Diagnostik, welche die Elektronentemperatur misst. Zuvor arbeitete er im Zuge einer Diplomarbeit und Dissertation als Gastwissenschaftler am IPP und betreute die Lithiumstrahldiagnostik am ASDEX Upgrade. 2013 promovierte er an der technischen Universität Wien mit dem Thema: "Temporal behavior of the plasma edge density throughout the L-H transition in ASDEX Upgrade". Im Rahmen des EUROfusion Fellowships untersucht Dr. Matthias Willensdorfer den Einfluss von magnetischen Störspulen und deren 3D Effekte auf den Plasmatransport.

 

Dr. Mike Dunne arbeitet seit 2012 am IPP, zuerst als Gastwissenschaftler der University College Cork und seit Juli 2013 als Postdoc am IPP in der Pedestal Edge Physics Gruppe angestellt. 2013 promovierte er mit seiner Dissertation: "Inter-ELM edge current density profiles on the ASDEX Upgrade tokamak”. Im Zuge dieses Fellowships untersucht er die Stabilität von Stickstoff- und Pellet-nachgefüllten Entladungen am ASDEX Upgrade.

 

Dr. Gergely Papp promovierte im Jahr 2013 im Rahmen des gemeinsamen Doktorandenprogrammes der Chalmers Universität (Schweden) und der Technischen Universität Budapest (Ungarn). Im Anschluss begann er als Postdoc des Max-Planck / Princeton Zentrums am IPP Garching. Er beschäftigt sich mit Dynamiken von sogenannten "Runaway"-Elektronen während Tokamakdisruptionen mittels selbstkonsistenter Modellierung, u.a. mit dem Ziel des Vergleichs zwischen Theorie und Experiment. Diese Arbeit wird ab Mitte 2015 durch ein EUROfusion fellowship gefördert.

 




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