Vor zwanzig Jahren: Erstmals glimmt das Sonnenfeuer auf der Erde

Am 9. November 1991 erzeugt das europäische Fusionsexperiment JET zwei Megawatt Fusionsleistung

9. November 2011



Vor zwanzig Jahren, am 9. November 1991, ist es zum ersten Mal in der Geschichte der Fusionsforschung gelungen, Energie freizusetzen: Das Europäische Gemeinschaftsexperiment JET (Joint European Torus), an dem auch das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) beteiligt ist, hatte für die Dauer von zwei Sekunden eine Fusionsleistung von knapp zwei Megawatt erzeugt. Nach über 30 Jahren Forschung mit Modellplasmen konnte damit zum ersten Mal die in einem Fusionskraftwerk vorgesehene Fusionsreaktion verwirklicht werden.

Die Kernfusion könnte eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle erschließen: Ähnlich wie die Sonne soll ein künftiges Fusionskraftwerk Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen gewinnen. Brennstoff ist ein dünnes ionisiertes Gas, ein „Plasma“ aus den beiden Wasserstoffsorten Deuterium und Tritium. Zum Zünden des Fusionsfeuers wird der Brennstoff in einem Magnetfeldkäfig eingeschlossen und auf hohe Temperaturen aufgeheizt. Oberhalb einer Temperatur von 100 Millionen Grad beginnt das Plasma zu „brennen“: Die Wasserstoffkerne verschmelzen miteinander zu Helium, wobei große Mengen nutzbarer Energie freigesetzt werden. Mit ihren günstigen Umwelteigenschaften und ihrem nahezu unerschöpflichen Brennstoffreservoir könnte die Fusion eine der Stützen einer nachhaltigen Energieversorgung werden.

Premiere mit Tritium
Wie alle Fusionsexperimente hatte auch JET zunächst mit Modellplasmen aus Deuterium und normalem Wasserstoff gearbeitet. Auf den Einsatz von Tritium – eine radioaktive Wasserstoff-Variante mit einer Halbwertszeit von 12,3 Jahren – wurde verzichtet, um das Experimentieren zu vereinfachen. Am 9. November 1991 experimentierte JET weltweit erstmalig mit geringen Mengen von Tritium. In wenigen Entladungen wurde mit einem „verdünnten“ Fusionsplasma aus 14 Prozent Tritium und 86 Prozent Deuterium experimentiert.

Voraussetzung für den Erfolg war der Betrieb der Maschine im „H-Regime“, einem im IPP-Experiment ASDEX entdeckten Plasmazustand mit besonders günstigen Eigenschaften. Damit lieferte das Plasma bei einer Heizleistung von etwa 20 Megawatt über die Verschmelzung der Deuterium- und Tritiumteilchen eine Fusionsleistung von mehr als 1,5 Megawatt – etwa ein Zehntel der Heizleistung.

Weltrekord
Bis zu den erneuten Tritiumexperimenten sechs Jahre später hatte die Anlage noch ein Problem zu lösen – die ungünstige Wechselwirkung zwischen dem heißen Brennstoff und den umgebenden Gefäßwänden. Im Plasma sammelten sich zu viele Partikel an, die von den Plasmateilchen aus der Gefäßwand herausgeschlagen wurden – das Plasma erstickte an seinen selbst produzierten Verunreinigungen. Um dem entgegenzuwirken, wurde nach dem Vorbild des Garchinger IPP-Experimentes ASDEX ein so genannter „Divertor“ in das Plasmagefäß eingebaut. Diese Zusatzeinrichtung erlaubt es, die Randschicht des Plasmas zusammen mit den darin enthaltenen Verunreinigungen abzusaugen.

So ausgerüstet erzielte JET 1997 mit einer Brennstoff-Mischung aus gleichen Teilen Deuterium und Tritium eine Fusionsleistung von 16 Megawatt – der bis heute gültige Weltrekord. Beachtliche 65 Prozent der aufgewendeten Heizleistung wurden dabei per Fusion zurückgewonnen.

Eine positive Energiebilanz kann JET allerdings nicht herstellen. Dazu ist die Anlage – obwohl zurzeit die weltweit größte – noch zu klein. Ein Energie lieferndes Plasma soll bis 2025 der nochmals größere Testreaktor ITER erzeugen, der gegenwärtig im französischen Cadarache gebaut wird. Das Gemeinschaftsprojekt von EU, Japan, Russland, USA, China, Südkorea und Indien soll eine Fusionsleistung von 500 Megawatt liefern – zehnmal mehr, als zur Aufheizung des Plasmas verbraucht wurde.

Zur Redakteursansicht