Professor Günter Grieger geht in den Ruhestand

Führender Stellarator-Forscher / Aufbau des IPP-Teilinstituts Greifswald

19. Januar 1999
Ein Pionier der experimentellen Fusionsforschung in Deutschland, Professor Dr. Günter Grieger, geht Ende Februar in den Ruhestand. Bis zu seiner Emeritierung leitet er den Bereich Experimentelle Plasmaphysik 2 des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) in Garching und den Aufbau des 1994 gegründeten IPP-Teilinstituts Greifswald. Ziel der Fusionsforschung ist ein Kraftwerk, das - ähnlich wie die Sonne - Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen gewinnt.

Die bewegte Geschichte der Fusionsforschung seit den 50er Jahren entfaltet sich bei einem Rückblick auf Prof. Griegers Arbeiten: Zum Zünden des Fusionsfeuers muß es gelingen, den Brennstoff - ein dünnes Wasserstoffplasma - in Magnetfeldern wärmeisolierend einzuschließen und auf hohe Temperaturen aufzuheizen. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter des IPP war Grieger seit 1959 an den dortigen Wendelstein-Experimenten maßgeblich beteiligt. 

Wendelstein I-A, die erste deutsche Fusionsanlage vom Typ "Stellarator", wurde 1959/60 aufgebaut. Sie fand im Gegensatz zu den heutigen Großanlagen noch leicht auf einem Labortisch Platz. Die folgenden Experimente Wendelstein I-B, II-A und II-B der 60er Jahre standen mit ihrem klaren Nachweis des sog. klassischen Transports als "Münchner Mysterium" in Widerspruch zu dem amerikanischen C-Stellarator in Princeton, der andere, auffallend schlechte Wärmeisolation zeigte. Ende der 60er Jahre wurde in Rußland ein Anlagentyp mit einem anderem Aufbau des Magnetfeldkäfigs entwickelt, der Tokamak. Seine besseren Ergebnisse waren der Auslöser für ein weltweites Tokamak-Fieber. Schnell entstanden überall neue Tokamaks; in einen Tokamak umgebaut wurde 1969 auch der erfolglose C-Stellarator. Erst später stellte sich heraus, daß seine schlechten Resultate auf Auslegungs- und Fabrikationsfehler in den Magnetspulen zurückzuführen waren.

Auch als Folge der Wendelstein-Ergebnisse gingen trotz dieses Rückschlags die Arbeiten an Stellaratoren in Japan, Rußland und - für Europa - im IPP weiter. 1980 konnte der unter Griegers Projektleitung entstandene Wendelstein 7-A das Stellaratorprinzip erstmals bei einem heißen Plasma demonstrieren. "Garching shows stellarators may be good after all", titelte damals eine amerikanische Fachzeitschrift: "Stellarators appear to be back in business". Aufbauend auf diesem Erfolg folgte im IPP der "Advanced Stellarator" Wendelstein 7-AS. Von den bisherigen Anlagen unterscheidet er sich durch ein optimiertes Magnetfeld und neuartige modulare Spulen. Das Experiment ging 1988 unter Griegers Projektleitung in Betrieb. Es hat inzwischen die zugrundeliegenden Optimierungsprinzipien bestätigt und sämtliche Stellarator-Rekorde gebrochen.

Griegers Interesse galt jedoch nicht nur den Stellaratoren: Von 1978 bis 1988 war er Leiter der europäischen Delegation des europäisch-amerikanisch-japanisch-sowjetischen INTOR-Projektes (International Tokamak Reactor), einer Studie, die erste Pläne für einen Tokamakreaktor erarbeitete. Ihre Ergebnisse legten wichtige Grundlagen für die gegenwärtigen ITER-Aktivitäten, an dessen vorbereitenden Arbeitsgruppen Grieger ebenfalls teilnahm. Der Internationale Thermonukleare Experimentalreaktor ITER soll erstmals in der Geschichte der Fusionsforschung ein energielieferndes Plasma erzeugen.

Dies wird mit den Anlagen auf der Stellaratorseite noch nicht angestrebt: Der - bis zum Betriebsbeginn von Wendelstein 7-X - weltweit größte Stellarator ist der japanische "Large Helical Device" (LHD), in dessen Council Grieger vertreten ist. LHD will den Zündbedingungen für das Plasma lediglich um einen Faktor 5 bis 10 nahekommen. Der nochmals etwas größere Stellarator Wendelstein 7-X entsteht gegenwärtig im Teilinstitut Greifswald des IPP, dessen Aufbau Grieger seit 1994 leitet. Von 1981 bis 1993 war er zudem Mitglied des IPP-Direktoriums. 1996 wurde er zum Honorarprofessor der Universität Greifswald ernannt. Wendelstein 7-X, der 2005 in Betrieb gehen soll, soll die besondere Kraftwerkstauglichkeit der Stellaratoren zeigen und sie als leistungsfähige Alternative auf das Niveau der bislang bevorzugten Tokamaks heben. Gelingt dies, dann könnte das Demonstrationskraftwerk, das auf den geplanten Tokamak-Experimentalreaktor ITER folgen soll, auch ein Stellarator sein. Dessen Vorteil: die unmittelbare Eignung zum Dauerbetrieb.

Griegers Nachfolger und Sprecher des IPP-Teilinstituts Greifswald ist ab März 1999 Prof. Dr. Friedrich Wagner, geb. 1943 in Pfaffenhofen/Schwaben. Seit 1975 Wissenschaftler im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, arbeitete er zunächst an den Tokamakanlagen PULSATOR und ASDEX. An ASDEX gelang ihm 1982 die Entdeckung eines Plasmazustandes mit besonders günstiger Wärmeisolation, das H-Regime, der Betriebszustand für den späteren Reaktor. 1988 wurde Wagner zum Mitglied der Wissenschaftlichen Leitung berufen. Ein Jahr später wechselte er vom Tokamak- in den Stellaratorbereich und übernahm 1990 die Projektleitung von Wendelstein 7-AS. Seit 1993 ist er Mitglied des IPP-Direktoriums und Honorarprofessor an der Technischen Universität München. Seit 1998 hält er Vorlesungen an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald, ab Januar 1999 als Ordentlicher Professor. Er ist zudem Vorsitzender der Plasma Physics Division der Europäischen Physikalischen Gesellschaft. Im Teilinstitut Greifswald wird Wagner den Bereich "Experimentelle Plasmaphysik 3" leiten sowie für den Bau der Institutsgebäude verantwortlich sein. Die Fusionsanlage Wendelstein 7-X wird von Dr. Manfred Wanner aufgebaut, dessen Bereich im März von Garching nach Greifswald umziehen wird. Neben dem bereits eingerichteten Bereich "Stellarator-Theorie" unter Leitung von Prof. Jürgen Nührenberg ist ein weiterer experimenteller Bereich geplant. Der Leiter wird in einem gemeinsamen Berufungsverfahren mit der Universität Greifswald an das IPP-Teilinstitut und zugleich als Professor an die Universität Greifswald berufen.

Isabella Milch

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