Bauteile im Hitzetest

Hochleistungs-Teststand im IPP in Betrieb gegangen / Belastungstests für Wendelstein 7-X und ITER

31. Januar 2005
Europas modernste Testanlage für hitzebeständige Großkomponenten von Fusionsanlagen wird gegenwärtig im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching bei München in Betrieb genommen. Die Besonderheit von GLADIS (Garching Large Divertor Sample Test Facility): In dem Wärme-Teststand können nicht nur kleine Proben, sondern große Bauteile mit eigener Wasserkühlung untersucht werden.

Die Energie für die Wärmetests liefern zwei starke Teilchenstrahlen: Schnelle Wasserstoff-Ionen laden pro Quadratmeter Leistungen bis 90 Megawatt in bis zu 30 Sekunden langen Pulsen auf den Teststücken ab. Die Reaktion der Bauteile auf die hohe Belastung wird von zahlreichen Messgeräten protokolliert. Erste Aufgabe von GLADIS wird es sein, Komponenten für das im IPP-Teilinstitut Greifswald entstehende Fusionsexperiment Wendelstein 7-X zu prüfen. Anschließend kann die Anlage zur Vorbereitung des internationalen Testreaktors ITER genutzt werden.

Ziel der Fusionsforschung ist es, ein Kraftwerk zu entwickeln, das – ähnlich wie die Sonne – aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnt. Um das Fusionsfeuer zu zünden, muss der Brennstoff, ein Wasserstoffplasma, auf Temperaturen über 100 Millionen Grad aufgeheizt werden. Von dem Magnetfeld berührungsfrei eingeschlossen, kommt der Brennstoff nur abgekühlt und an wenigen, speziell ausgerüsteten Stellen in Kontakt mit der Gefäßwand. In Fusionsanlagen der nächsten Generation – wie Wendelstein 7-X und ITER – ist die thermische Belastung dieser Wandbereiche dennoch beträchtlich: Bis zu 10 Megawatt pro Quadratmeter, kurzzeitig wesentlich mehr, sind zu erwarten. Die Entwicklung der wassergekühlten Spezialverkleidungen für diese Wandbereiche – der so genannte Divertor – soll durch Tests im Garchinger Wärme-Teststand GLADIS unterstützt werden.

„Wir hatten das Glück“, erklärt Projektleiter Henri Greuner, „zum Bau von GLADIS auf vorhandene leistungsfähige Bauteile zurückgreifen und so Kosten sparen zu können“. Zum Beispiel wurde das Herzstück des Teststands – die Strahlquellen – aus einer Heizanlage für das Plasma der vor drei Jahren stillgelegten Fusionsanlage Wendelstein 7-AS ausgebaut. Auch die Stromversorgung wurde von dort übernommen; die wassergekühlten Beschleunigungsgitter stammen sogar vom 1990 abgeschalteten ASDEX. „Die Investitionen von rund 350.000 Euro beschränken sich deshalb im wesentlichen auf das Gefäß sowie die Vakuum-, Diagnostik- und Kühleinrichtungen.“

Zwei leistungsstarke Ionenquellen sind das Kernstück von GLADIS: Aus neutralem Wasserstoffgas erzeugen sie positiv geladene Wasserstoff-Ionen und beschleunigen sie mit gitterförmigen Elektroden auf hohe Geschwindigkeiten. Drei Meter entfernt von den Beschleunigungsgittern prallen die beiden armdicken Teilchenstrahlen auf das zu untersuchende Teststück und laden in bis zu 30 Sekunden langen Pulsen Wärmeleistungen von maximal 90 Megawatt pro Quadratmeter ab. Eine Vakuumkammer umschließt die Anordnung. Im vorderen Bereich des teilbaren Stahlgefäßes ist die technische Ausrüstung – Ionenquellen, Vakuumpumpen, Wasserkühlung, Infrarot- und Videokamera – untergebracht, hinten liegt die Probenkammer. Über zahlreiche Fenster sind Messgeräte angeschlossen, die bis zu 40 Mess-Signale aufnehmen, darunter Temperaturprofile der Probe sowie Geschwindigkeit und Temperatur des Kühlwassers. Die mögliche Schädigung eines Bauteils lässt sich so bereits während des Entstehens beobachten und – ergänzt durch metallographische oder elektronenmikroskopische Untersuchungen im Labor – Strukturfestigkeit, Materialermüdung und thermohydraulisches Verhalten exakt bestimmen. Henri Greuner: „Die Möglichkeit, aktiv gekühlte Bauteile bis zu zwei Metern Länge bei hoher zyklischer Belastung zu untersuchen, macht den IPP-Teststand europaweit zu dem zur Zeit modernsten seiner Art.“

Hauptaufgabe in den nächsten Jahren sind Wärmebelastungstests für das Fusionsexperiment Wendelstein 7-X, das zur Zeit im IPP-Teilinstitut Greifswald aufgebaut wird: Die Serienprüfung der Schutzelemente für das Plasmagefäß – einzelne Kacheln und komplette, wassergekühlte Divertormodule – unter den späteren Betriebsbedingungen soll die gesamte Herstellung begleiten. Neben der Qualitätssicherung können so die Anforderungen an die Kühlung genau festgelegt werden. Für die Tests wird ein Ionenstrahl mit Wärmeleistungen von 5 bis 12 Megawatt pro Quadratmeter ausreichen. Für die größeren ITER-Bauteile, die durch fernsteuerbare Manipulatoren im Strahlgang verschoben werden können, werden später beide Strahlen genutzt.

Isabella Milch

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