Krumm, aber erfolgreich

Prototypspule für Wendelstein 7-X besteht Test im Forschungszentrum Karlsruhe

2. August 1999
Bei Temperaturen von minus 269 Grad Celsius, nahe dem absoluten Nullpunkt, und Magnetfeldern, die das der Erde um das Hunderttausendfache übertreffen, ist im Forschungszentrum Karlsruhe eine supraleitende Testspule für das Fusionsexperiment Wendelstein 7-X einem mehrmonatigen Test unterzogen worden. Niemals zuvor wurde eine Magnetspule mit so eigenwilliger Form - auf den ersten Blick ähnelt sie einem überdimensionalen verbogenen Fahrradreifen - solchen Belastungen ausgesetzt. Die elektrischen Eigenschaften und das Supraleitungsverhalten lagen im Zielbereich, auch die mechanischen Verformungen beliefen sich trotz der extremen Bedingungen nur auf 15 Millimeter. Damit hat die Spule den Test bestanden - die Serienfertigung kann beginnen.

Das Fusionsexperiment Wendelstein 7-X entsteht gegenwärtig in Greifswald, im dortigen Teilinstitut des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik. Das Großexperiment soll die Kraftwerkstauglichkeit eines speziellen Typs von Fusionsanlagen, der sogenannten Stellaratoren, unter Beweis stellen. Um die Energieerzeugung der Sonne in einem künftigen Fusionskraftwerk nachzuvollziehen, muß der Brennstoff - ein dünnes, ionisiertes Wasserstoffgas - auf extrem hohe Temperaturen aufgeheizt und in einem Magnetfeld eingeschlossen werden. In Wendelstein 7-X wird dieser magnetische Käfig von großen elektrischen Spulen von rund 3,5 Meter Höhe und einer Breite von etwa 2,5 Metern erzeugt. Dabei erfordert das zugrundeliegende Stellaratorkonzept eine sehr eigenwillige Geometrie der elektrischen Spulen. 50 krumme Spulen, deren Wicklungen weder in einer Ebene liegen noch kreisförmig sind, bauen den magnetischen Käfig auf. Hinzu kommen 20 "normale", also runde, Spulen.

Eine erste der komplex geformten Spulen gab das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik bei der Firma Preussag-Noell GmbH in Würzburg in Auftrag (siehe IPP-Presseinformation 7/98). Diese Prototyp-Spule traf Ende letzten Jahres im Forschungszentrum Karlsruhe ein und wurde dort in die Großmagnettestanlage TOSKA eingebaut. Hier sollten die Bedingungen im Stellarator simuliert und die mechanischen und elektrischen Eigenschaften der Spule untersucht werden. Zur Simulation der starken Magnetfelder wurde eine zweite Großspule - eine Entwicklung des Forschungszentrums mit deutschen Industriepartnern - integriert.

In einer zweiwöchigen Kühlphase wurden Anlage und Spulen mit einem Gesamtgewicht von 75 Tonnen zunächst auf die Temperatur flüssigen Heliums - auf minus 268,8 Grad Celsius - abgekühlt. Die Testspule wurde dabei supraleitend, d. h. die Leiterdrähte aus einer Niob-Titan-Legierung verloren ihren elektrischen Widerstand. Diese verlustfreie Stromleitung ist eine Voraussetzung für den wirtschaftlichen Betrieb eines späteren Fusionskraftwerks.

Der Test der Spule vollzog sich dann in zwei Stufen: Zunächst wurde die Prototypspule alleine geprüft. Nachdem die Ergebnisse den Erwartungen entsprachen, folgte der Test im Hintergrundfeld der Karlsruher Spule. Die Spulen wirkten nun mit extremen Kräften - entsprechend Gewichtskräften um die 1000 Tonnen - aufeinander ein. So konnte das spätere Zusammenwirken der 50 Einzelspulen in der Experimentieranlage simuliert werden. Die Spulen konnten auch unter diesen Bedingungen stabil betrieben werden. Dabei lagen die mechanischen Verformungen und Spannungen im Gehäuseteil der Testspule im erwarteten Bereich. Auch die späteren Betriebsbedingungen von Wendelstein 7-X mit einer magnetischen Feldstärke von 6,1 Tesla wurden erreicht. Dies entspricht etwa der zwölffachen Feldstärke eines üblichen Lautsprechermagneten bzw. dem Hundertausendfachen des Magnetfeldes der Erde. Mit dem erfolgreichen Abschluß der Tests kann nun die Serienfertigung der Spulen beginnen.

Joachim Hofmann, Isabella Milch

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