Störende Schwingungen – Problemlösung für Forschung und Industrie

IPP-Erfindung zur Schwingungsdämpfung / generell einsetzbar in Antriebsmaschinen

6. November 2003
Ein kostengünstiges Verfahren zur Dämpfung schädlicher Drehschwingungen in einem rotierenden Antriebssystem wurde im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching entwickelt und zum Patent angemeldet. Die Methode wurde im Rahmen der Fusionsforschung erarbeitet, ist aber universell einsetzbar – überall dort, wo in der Energie- oder Fertigungstechnik stoßartige Belastungen einer Maschine auftreten, die zerstörerische Schwingungen in der Generatorwelle oder im Antriebsstrang verursachen.

Es begann damit, dass bei einer Routineprüfung an den Schwungrad-Generatoren, die die Plasmaexperimente des IPP mit elektrischer Leistung versorgen, Schäden an der Drehachse festgestellt wurden. Für Deutschlands größtes Fusionsexperiment, ASDEX Upgrade, liefern die Generatoren in rund zehn Sekunden langen Pulsen Leistungen von ein- bis dreihundert Megawatt. Zunächst unerklärlich, hatte man Schleifspuren an der Kupplung zwischen einem 76 Tonnen schweren Schwungrad und dem von ihm angetriebenen Generator entdeckt. Die genaue Untersuchung brachte Klarheit: Schnelle Laständerungen am Generator, von dem die IPP-Wissenschaftler während eines Experiments in raschem Wechsel unterschiedlich große Mengen an elektrischer Energie abrufen, können als Anregung auf das Gesamtsystem zurückwirken und die Achse der gesamten Anlage ins Schwingen bringen. Der Rotor des Generators schwingt dann gegen das massive Schwungrad und verdrillt dabei die stählerne Drehachse. Gemessen wurde dies mit einem speziellen, berührungslos arbeitenden Sensor. Zwar zeigte er nur minimale Verdrehungen um hundertstel bis zehntel Grad an, dennoch sind die Belastungen für die Achse dabei sehr hoch. Folge dieser Wechselbeanspruchung sind Schäden an den Kupplungen, die langfristig sogar zur Zerstörung der Welle führen können.

Nach der Reparatur des Generators behalfen sich die Wissenschaftler vorläufig damit, die Fusionsexperimente abzubrechen, sobald das Messgerät zu starke Schwingungen meldete. Da aber so zu viele Plasma-Entladungen ein vorzeitiges Ende fanden, begann man mit der Entwicklung einer Methode, die Schwingungen aktiv zu bekämpfen: Gesteuert durch eine ausgefeilte Elektronik führt eine Magnetspule im Gegentakt zur gemessenen Winkelgeschwindigkeit der Schwingung dem System genau so viel Energie zu, dass die Schwingungen optimal gedämpft werden. Dabei müssen nur geringe Leistungen aufgewandt werden: Während der Generator über hundert Megawatt an elektrischer Leistung liefert, reicht zur Schwingungsdämpfung nur rund ein Megawatt. Die zwei an den Schwungrad-Generatoren des IPP eingesetzten Dämpfungskreise haben sich mittlerweile in mehr als tausend Plasma-Entladungen bewährt.

Die neuartige Methode wurde über die Firma „Garching Innovation GmbH“ zum Patent angemeldet. Der Erfinder, Dr.-Ing. Christof Sihler, ist zuversichtlich, dass sich Interessenten und Lizenznehmer finden lassen: „Das von uns entwickelte Verfahren kommt mit geringer Leistung aus, funktioniert nachweislich zuverlässig und kann nicht nur an großen Generatoren, sondern generell zur Dämpfung von Drehschwingungen in einem rotierenden Antriebsstrang eingesetzt werden.“

Mit dem Verfahren ließen sich also ganz allgemein bei drehbaren Antrieben Torsionsschwingungen unterdrücken, zum Beispiel bei großen Turbogeneratoren in Kraftwerken, bei Industriemaschinen, Windkraftwerken, Schiffsdieseln oder Pumpen. Zwar sind Drehschwingungen in gleichmäßig laufenden Antrieben selten. Wenn sie aber einmal auftreten – zum Beispiel beim Hochfahren der Maschinen oder ausgelöst durch dynamische Ansteuerung oder Belastung – können die Schäden erheblich sein und teure Reparaturen erforderlich machen. Auch das vorsorgliche Abschalten der Maschinen zum Vermeiden der Schwingungen kann Kosten verursachen. „Immer dann, wenn es durch Schaltvorgänge oder dynamische Prozesse in der Energietechnik, Fertigungstechnik oder Plasmaphysik zu stoßartigen Belastungen bei der Energieversorgung oder einer Antriebsmaschine kommt und dabei Schwingungen in der Generatorwelle oder im Antriebsstrang auftreten“, so erklärt Dr. Sihler, „haben wir eine wirkungsvolle Methode zum Dämpfen dieser Schwingungen anzubieten. Ihr Vorteil: Weder am Prozess noch am Generator oder der Antriebsmaschine muss etwas verändert werden. Die erforderlichen Bauteile können einfach und schnell nachträglich angebaut werden und sind wegen der kleinen benötigten Leistung auch kostengünstig.“

Hintergrund: Ziel der Fusionsforschung ist die Entwicklung eines Kraftwerks, das Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen gewinnen soll. Brennstoff ist ein dünnes ionisiertes Gas, ein Wasserstoffplasma, das zum Zünden des Fusionsfeuers in Magnetfeldern eingeschlossen und auf hohe Temperaturen aufgeheizt werden muss. Die für die Plasma-Experimente nötige elektrische Leistung für Magnetfeld und Heizung wird im IPP in Garching durch große Schwungrad-Generatoren bereitgestellt.

Isabella Milch

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