Dem Elektronen-Positronen-Plasma auf der Spur

Forschungsbericht (importiert) 2016 - Max-Planck-Institut für Plasmaphysik

Autoren
Horn-Stanja, Juliane
Abteilungen
„Stellarator-Rand- und -Divertorphysik“
DOI
Zusammenfassung
Ein aus Elektronen und Positronen bestehendes Paarplasma ist sowohl von großem Interesse für die grundlegende Plasmaphysik als auch für die Astrophysik, die diese Plasmen in der Umgebung verschiedener astrophysika­lischer Objekte vermutet. Im Rahmen des APEX-Projekts soll erstmalig ein magnetisch eingeschlossenes Elektronen-Positronen-Plasma im Labor erzeugt werden. Erste Positronenexperimente haben bereits wichtige Ergebnisse geliefert.

Grundlegende Phänomene der Plasmaphysik beruhen darauf, dass ein Großteil der bekannten Plasmen aus Ionen und Elektronen besteht. Der große Massenunterschied zwischen den beiden Teilchenarten eröffnet zwei separate Bereiche: In Bezug auf die Elektronendynamik können die Ionen als stationär betrachtet werden und in Bezug auf die Ionendynamik erreichen die Elektronen ihren Gleichgewichtszustand quasi instantan. Geht man von diesen traditionellen Plasmen über zu sogenannten Paarplasmen – Plasmen, die aus zwei Spezies gleicher Masse aber entgegengesetzter Ladung bestehen – dann muss die Dynamik beider Spezies gleichwertig behandelt werden und es werden fundamental andere Phänomene erwartet. Vorhergesagt sind eine deutlich reduzierte Diversität von Wellenphänomenen und eine damit verbundene stark reduzierte Turbulenz, was zu einem viel besseren Einschluss führen würde.

Dass es sich bei Paarplasmen nicht nur um Gedankenspiele handelt, zeigen astrophysikalische Publikationen, die Paarplasmen beschreiben, die aus Elektronen (e-) und Positronen (e+) bestehen, zum Beispiel in aktiven Galaxienkernen sowie in Winden und Jets von Pulsaren. Die Erzeugung und Untersuchung eines solchen Paarplasmas – insbesondere eines Elektronen-Positronen-Plasmas – im Labor stellt daher das bisherige Verständnis der grundlegenden Plasmaphysik auf die Probe, bietet die Gelegenheit, theoretische Modelle zu optimieren, die auch Eingang in Simulationen für die Fusionsforschung finden, und könnte das Verständnis des Universums erweitern.

Das Laborexperiment APEX

Eine Gruppe des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit dem Experiment APEX erstmalig ein magnetisch eingeschlossenes niederenergetisches Elektronen-Positronen-Plasma im Labor zu erzeugen [1]. Angelehnt an die Lehrbuchdefinition eines Plasmas soll die Debyelänge, d. h. die charakteristische Länge, auf welcher das elektrische Potenzial einer lokalen Überschussladung auf das 1/e-fache abnimmt, dabei rund zehnmal geringer sein als die charakteristische Länge des Plasmagefäßes. Bei einem Gefäßvolumen von 10 Litern und einer Plasmatemperatur von ca. 1 Elektronenvolt benötigt man somit eine Mindestzahl von 1010 Teilchen jeder Spezies im Plasmagefäß. Während es sehr einfach ist, eine Wolke aus 1010 Elektronen zu erzeugen, kann diese Positronenzahl heutzutage nur mithilfe reaktorbasierter Positronenquellen bereitgestellt werden, deren maximale Intensität bei ca. 109 Positronen pro Sekunde liegt.

Auch bei Verwendung einer dieser Quellen müsste sichergestellt sein, dass dem Positronenstrahl beim Transport keine Temperaturerhöhung widerfährt, die Positronen zu 100 Prozent in die Plasmafalle eingebracht werden und dort für mindestens 10 Sekunden verbleiben. Die Anforderungen an diese drei Faktoren lassen sich abschwächen, wenn eine Anordnung aus linearen Fallen zur Positronenanreicherung zwischen der Positronenquelle und der Plasmafalle verwendet wird.

Um schließlich Teilchen mit beiden Vorzeichen der elektrischen Ladung einzuschließen, bedarf es einer Plasmafalle, die auf rein magnetischen Konzepten beruht. Ein Kandidat ist ein Stellarator, ähnlich dem zurzeit am IPP in Greifswald hinsichtlich seiner Kraftwerkseignung getesteten Wendelstein 7-X. Ein alternatives Konzept, das von astrophysikalischer Relevanz ist, da es im Magnetfeld der Erde und anderer Himmelskörper wiedergefunden werden kann, ist das Dipolfeld. Im Labor kann ein Dipolfeld mit geschlossenen Magnetfeldlinien mithilfe einer schwebenden supraleitenden Stromschleife technisch realisiert werden. Dass diese Anordnung für Plasmaexperimente geeignet ist, wurde vor wenigen Jahren an der Universität von Tokio mit dem Experiment RT1 erfolgreich demonstriert.

Unter Berücksichtigung dieser Randbedingungen ergibt sich für APEX der folgende Aufbau (Abb. 1): Ein Positronenstrahl mit bis zu 109 monoenergetischen, magnetisch geführten Positronen pro Sekunde wird von der Positronenquelle NEPOMUC am Forschungsreaktor FRM II der Technischen Universität München in Garching [2] bereitgestellt. Sie zählt zu den intensivsten Positronenquellen weltweit. Die Positronen sollen zunächst im Experiment PAX mithilfe linearer Puffergas- und Penning-Malmberg-Fallen angereichert und schließlich zusammen mit Elektronen in eine Dipolfalle (APEX-D) oder eine Stellaratorfalle (APEX-S) eingebracht werden. Hierbei hat die Dipolgeometrie Priorität, da sie Einschlusszeiten von mehreren Minuten verspricht [3].

Erst wenn die neue Nutzerhalle auf dem Gelände des FRM II fertiggestellt ist, können die einzelnen Komponenten zusammengefügt werden. Doch bereits jetzt kann eine Vielzahl wesentlicher Experimente mit Positronen durchgeführt werden, was im Folgenden an ausgewählten Beispielen illustriert wird.

Positronenexperimente für APEX

Um Experimente mit dem NEPOMUC-Positronenstrahl gestützt durch Simulationen zu planen, sie durchzuführen und deren Ergebnisse zu interpretieren, ist die Kenntnis der Intensität, der energetischen Verteilung bezüglich des Magnetfeldes sowie der räumlichen Verteilung des Positronenstrahls grundlegend. Mithilfe eines eigens konstruierten Aufbaus zum Abtasten des räumlichen Profils und zur Messung der magnetfeldabhängigen Energieverteilung ist es gelungen, den NEPOMUC-Positronenstrahl umfassend zu charakterisieren [4].

Am IPP in Greifswald wird in Zusammenarbeit mit der Universität Greifswald untersucht, wie lange und wie viele Positronen in linearen Fallen gespeichert werden können und welche Positronendiagnostiken geeignet sind. Viele dieser Experimente sollen zunächst mit den leichter zu produzierenden Elektronen durchgeführt werden. Daher ist es relevant, ob zum Beispiel Phosphorschirme, die eine Standarddiagnostik für Experimente mit linearen Fallen sind, unterschiedlich auf Elektronen- und Positronenstrahlen reagieren. Für ein gebräuchliches lumineszierendes Material (P22B) wurden substanzielle Unterschiede im Lumineszenzsignal von Elektronen und Positronen gefunden. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass auch beim Einfall von niederenergetischen Positronen das Lumineszenzsignal nicht verschwindet.

Ein wichtiger Schritt zum Experimentieren mit einem Paarplasma ist die Injektion der Positronen in den Bereich geschlossener Feldlinien der Dipolfalle, da nur dort die Teilchen gespeichert werden können. Um zu erforschen, wie geladene Teilchen über geschlossene Magnetfeldlinien transportiert werden können, wurde am IPP in Garching ein Prototyp für eine Dipolfalle gebaut (Abb. 2). Sie besteht aus einem zentral gelagerten Permanentmagneten, welcher von einer Ringelektrode umgeben ist. Mithilfe eines Paares elektrostatischer Platten kann man eine Teilchendrift induzieren, die senkrecht zum elektrischen Feld und zu den Magnetfeldlinien gerichtet ist und es damit erlaubt, Teilchen von außen in das einschließende Magnetfeld hinein zu transportieren. Ein erfolgreicher Teilchentransport lässt sich über das Annihilationssignal auf einem Target nachweisen, das von der Magnetoberfläche bis zur Ringelektrode radial verschoben werden kann. Durch Experimente an der NEPOMUC-Quelle konnte gezeigt werden, dass sich bei geeigneten Spannungen am Magneten, der Ringelektrode sowie dem Plattenpaar bis zu 40 Prozent des Positronenstrahls innerhalb der Speicherregion befinden und einen 180-Grad-Umlauf um den Magneten vollführen [5]. Indem man die Ringelektrode vertikal segmentiert und nur das Segment auf Höhe des Plattenpaares mit einer geeigneten Spannung versieht, kann die Einschusseffizienz auf nahezu 100 Prozent gesteigert werden.

Mit dieser Falle wurde auch untersucht, ob ein Einschluss der Positronen möglich ist und welche Faktoren die Einschlusszeit beeinträchtigen können. Wenn man nach Abschaltung des Positronenstrahls alle Spannungen für den optimalen Einschuss beibehält, befinden sich nach wenigen Mikrosekunden keine Positronen mehr in der Falle (Abb. 3(a)). Dies entspricht in etwa der Zeit, die die Positronen für einen 360-Grad-Umlauf um den Magneten benötigen. Es hat den Anschein, dass insbesondere die durch das Plattenpaar verursachten elektrischen Felder ein Verbleiben der Positronen in der Falle verhindern. Nach gleichzeitigem Abschalten des Positronenstrahls und des Plattenpaares verbleiben die Positronen wesentlich länger in der Falle (Abb. 3(b)).

Um zu untersuchen, ob auch die radiale Verteilung der Positronen einen Einfluss auf die Einschlusszeit hat, müssen zunächst Methoden entwickelt werden, mit denen die räumliche Verteilung der Positronen gezielt beeinflusst werden kann. Dies gelingt, indem man zeitlich veränderliche Spannungen an die einzelnen Segmente der Ringelektrode anlegt. Durch die Wahl einer Frequenz in einem weiten Bereich um 150 kHz, welche oberhalb der Umlauffrequenz aber unterhalb der Pendelfrequenz aufgrund der Spiegelung an den Polen des Magneten liegt, konnte eine deutliche Veränderung des radialen Profils beobachtet werden (Abb. 4).

Ausblick

Zukünftige Messungen mit der Prototypfalle sollen dabei helfen, weitere limitierende Faktoren für den Teilcheneinschluss aufzudecken sowie Methoden zur gezielten Teilchenbeeinflussung in der Falle zu entwickeln. Eine Bündelung des kontinuierlichen Positronenstrahls könnte sich dabei als vorteilhaft erweisen.

Parallel zu diesen Experimenten wird die APEX-Falle auf Basis einer schwebenden supraleitenden Spule entwickelt. Während bereits gezeigt wurde, dass ein stabiler Schwebezustand hergestellt werden kann, erforderten die Spulenparameter einen aufwendigen Optimierungsprozess. Die Fertigstellung der Spule ist für Mitte 2017 vorgesehen. Danach wird sie schrittweise zunächst gelagert und dann schwebend in Experimenten eingesetzt werden, die einen gemeinsamen Einschluss von Elektronen und Positronen demonstrieren sollen.

Literaturhinweise

1.
Sunn Pedersen, T.; Danielson, J. R.; Hugenschmidt, C.; Marx, G.; Sarasola, X.; Schauer, F.; Schweikhard, L.; Surko, C. M.; Winkler, E.
Plans for the creation and studies of electron–positron plasmas in a stellarator
New Journal of Physics 14, 035010 (2012)
2.
Hugenschmidt, C.; Ceeh, H.; Gigl, T.; Lippert, F.; Piochacz, C.; Pikart, P.; Reiner, M.; Weber, J.; Zimnik, S.
The Upgrade of the Neutron Induced Positron Source NEPOMUC
Journal of Physics: Conference Series 443, 012079 (2013)
3.
Yoshida, Z.; Saitoh, H.; Morikawa, J.; Yano, Y.; Watanabe, S.; Ogawa, Y.
Magnetospheric Vortex Formation: Self-Organized Confinement of Charged Particles
Physical Review Letters 104, 235004 (2010)
4.
Stanja, J.; Hergenhahn, U.; Niemann, H.; Paschkowski, N.; Sunn Pedersen, T.; Saitoh, H.; Stenson, E. V.; Stoneking, M. R.; Hugenschmidt, C.; Piochacz, C.
Characterization of the NEPOMUC primary and remoderated positron beams at different energies
Nuclear Instruments and Methods in Physics Research A 827, 52–62 (2016)
5.
Saitoh, H.; Stanja, J.; Stenson, E. V.; Hergenhahn, U.; Niemann, N.; Sunn Pedersen, T.; Stoneking, M. R.; Piochacz, C.; Hugenschmidt, C.
Efficient injection of an intense positron beam into a dipole magnetic field
New Journal of Physics 17, 103038 (2015)
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