Fusionsexperiment in England von Garching aus vorbereitet

Letzte JET-Entladung vor vorläufigem Betriebsende / Weiterbetrieb ab 2000 in neuer Form

7. Dezember 1999
Erstmals wurden Experimente an der Europäischen Fusionsanlage JET (Joint European Torus) in Culham/Großbritannien von einem externen Fusionslabor aus - dem Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching - vorbereitet, programmiert und betreut. Dieser 3. Dezember 1999 war zugleich der letzte Experimentiertag der Anlage als selbständiges Europäisches Gemeinschaftsprojekt. Der erfolgreich abgelaufene Test soll mithelfen, den Weiterbetrieb von JET ab Januar 2000 in neuer Organisationsform vorzubereiten.

Die Vorarbeiten für diesen "ferngesteuerten" JET-Experimentiertag liefen bereits seit einigen Tagen. Was sonst Aufgabe der JET-Physiker war, geschah nun im IPP in Garching: Hier haben Mitarbeiter des ASDEX Upgrade-Teams, darunter einer der früheren JET-Experimentleiter, Dr. Sips, einen Teil der für den letzten Betriebstag geplanten Plasma-Entladungen vorbereitet. Dazu waren insbesondere die "Zeitspuren" für die elektrischen Ströme, die in den Magnetspulen fließen sollen, zu planen und zu programmieren. Der zeitliche Ablauf dieser Ströme legt die Gestalt des magnetischen Käfigs fest und damit auch die Form des Plasmas. So wird der Ablauf der ganzen Entladung modelliert. Von Garching aus über Datenfernleitung direkt im JET-Computer berechnet, steuern die fertigen Datensätze dann die Entladungen vor Ort. Den tatsächlichen Ablauf der Entladungen können die IPP-Physiker unmittelbar anschließend in Form von Meßkurven auf den Garchinger Bildschirmen begutachten und mit ihren Erwartungen vergleichen. Korrekturen für die nächste Entladung werden dann nach telefonischer Beratung mit den JET-Kollegen vor Ort eingebaut.

Die Garchinger Physiker waren mit diesem technischen Test sehr zufrieden. Dr. Sips: "Die Kommunikation hat problemlos geklappt; in Culham und Garching war alles gut vorbereitet." Nach diesem letzten Betriebstag wird JET nun einer technischen Inventur unterzogen, um zum Jahreswechsel in die Hände des englischen Fusionslabors der UKAEA in Culham überzugehen. Ab Januar 2000 ist JET kein selbständiges Gemeinschaftsprojekt der Europäischen Fusionslaboratorien mehr. Für den technischen Betrieb ist dann das Fusionslabor in Culham zuständig, während zeitweise abgeordnete Wissenschaftler und Techniker aus den Europäischen Laboratorien in einzelnen Experimentierkampagnen an der Anlage arbeiten werden. Vom jeweiligen Heimatlabor aus vorbereitete JET-Entladungen - wie jetzt erfolgreich geprobt - wird es dann öfter geben. In dieser neuen Organisationsform soll das leistungsfähige JET-Experiment - die gegenwärtig einzige Fusionsanlage, die mit Deuterium-Tritium-Plasmen experimentieren kann - über das bisher vorgesehene Betriebsende hinaus zur Vorbereitung des geplanten Experimentalreaktors ITER genutzt werden.

JET - eine Erfolgsgeschichte
Ab 1973 wurde JET als das weltweit größte Fusionsexperiment von den Europäischen Fusionslaboratorien gemeinsam konzipiert und seit 1983 gemeinsam betrieben. Die Anlage hat seither das Fusionsprogramm seinem Ziel - die Energieerzeugung der Sonne auf der Erde nachzuvollziehen und aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie zu gewinnen - ein großes Stück näher gebracht. Brennstoff für diese nahezu unerschöpfliche Energiequelle ist ein dünnes Gas aus den beiden Wasserstoffsorten Deuterium und Tritium. Zum Zünden des Fusionsfeuers muß es gelingen, den Brennstoff in Magnetfeldern einzuschließen und auf hohe Temperaturen aufzuheizen.

Inzwischen ist JET die führende Fusionsanlage weltweit, deren Plasmen in vielem bereits einem Kraftwerksplasma nahe kommen. In 16 Betriebsjahren hat JET sämtliche wissenschaftlichen Zielvorgaben erreicht. Aus der Vielzahl der gewonnenen Erkenntnisse ragen als nach außen hin sichtbarster Erfolg die Rekord-Experimente des Jahres 1997 heraus. JET war es gelungen, eine Fusionsleistung von 16 Megawatt freizusetzen, wobei 65 Prozent der aufgewendeten Heizleistung per Fusion zurückgewonnen wurden.

Ein brennendes Plasma soll JET allerdings auch in der neuen Betriebsphase nicht erzeugen. Dies ist Aufgabe des nächsten Schrittes, des in weltweiter Zusammenarbeit geplanten Internationalen Thermonuklearen Experimentalreaktors ITER, des. Mit rund 500 Megawatt Fusionsleistung soll er erstmals ein längere Zeit energielieferndes Plasma erzeugen sowie technische Funktionen eines Fusionskraftwerks testen.

Isabella Milch

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