Erfolgreich Plasmainstabilitäten mildern

Eine neue Technik soll künftige Fusionsanlagen vor Schäden durch schnelle Plasmaelektronen schützen

30. April 2021

Eine neue Methode, aus dem magnetischen Käfig ausreißende Elektronen zu bremsen, hat ein Team des europäi­schen Fusionsforschungskonsortiums EUROfusion, des europäischen JET-Experiments, des internationalen ITER-Experimentalreaktors und der US-amerikanischen Fusionsanlage DIII-D entwickelt. Die neue Technik könnte die Gefäßwände künftiger Fusionskraftwerke schützen, schreibt das Team in der Physikzeitschrift Physical Review Letters. Die numerische Simulation der Vorgänge und die theoretische Erklärung der zugrunde liegenden Plasma-Instabilitäten lieferte ein Team um Plasmatheoretiker des IPP.

Um das Fusionsfeuer in einem späteren Kraftwerk zu zünden, muss es gelingen, den Brennstoff – ein extrem dünnes, ionisiertes Wasser­stoff-Plasma – nahezu berührungsfrei in Magnetfeldern einzu­schließen und auf hohe Temperatur über 100 Millionen Grad aufzu­heizen. Leider können sich in der Wechselwirkung der geladenen Plasmateilchen mit dem einschließenden Magnetfeld eine ganze Reihe von Störungen entwickeln – darunter in Fusionsanlagen vom Typ Tokamak sogenannte Stromabbrüche: Der im Plasma fließende elektrische Strom, der einen Teil des magnetischen Käfigs aufbaut, geht dann innerhalb weniger Millisekunden verloren. Dabei können Elektronen im Plasma beschleunigt werden und andere, langsamere Elektronen lawinenartig mitreißen, bis schließlich ein konzentrierter energiereicher Elektronenstrahl in die Innenwand des Plasmagefäßes einschlägt. Je größer die Anlage, desto stärker wird der Effekt. Im internationalen Testreaktor ITER wäre er kräftig genug, um die Gefäßoberfläche nennenswert zu beschädigen.

Um diese Störung zu beruhigen und die freigesetzte Energie gleichmäßig abzustrahlen, schoss man bisher schwere Atome wie Argon in das Plasma ein. Eine zweite Dosis schwerer Atome reichte in kleineren Tokamak-Anlagen dann aus, die Elektronen-Ausreißer loszuwerden. Im großen europäischen Gemeinschaftsexperiment JET in Culham/Groß­britan­nien erwies sich diese Technik jedoch als weniger wirksam; für den nochmals größeren ITER blieb damit ein ungelöstes Problem.

Aufbauend auf Beobachtungen an der amerikanischen Fusionsanlage DIII-D in San Diego konnte ein Team europäischer und amerikanischer Fusionsforscher um Cédric Reux von der französischen CEA nun an JET zeigen, dass als zweite Dosis in das Plasma eingeschossene Deuterium-Atome die unerwünschten schnellen Elektronen wirksam unterdrücken können. Die Arbeit, an der auch Wissenschaftler des IPP beteiligt waren, wurde jetzt in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlicht.

Bereits im Februar erschien in „Plasma Physics and Controlled Fusion“ die theoretische Erklärung für die plasma­physika­lischen Vorgänge in diesem JET-Experiment. Dem internationalen Team um die IPP-Wissenschaftler Vinodh Kumar Bandaru und Matthias Hölzl war es gelungen, den von der zweiten Deuterium-Injektion ausgelösten Abbruch des Elektronenstrahls rechnerisch nachzumodellieren. Die nichtlineare magnetohydrodynamische Simulation stimmt mit den beobachteten Erscheinungen und ihrem zeitlichen Ablauf gut überein. Sie kann auch die längs des Gefäßumfangs beobachtete Verteilung des Elektronenstrahls reproduzieren und damit erklären, warum die gefürchteten Hotspots vermieden werden. Die Arbeit bestärkt daher die Erwartung, auch für ITER ein wirksames Strahlabbruch-Szenario entwickeln zu können.

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