IPP-Physiker erhält Nuclear Fusion Award für Arbeit über Plasmainstabilitäten

Warum können magnetische Störfelder in Tokamaks Plasmainstabilitäten ausschalten?

13. April 2022

Der Physiker Dr. Wolfgang Suttrop vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) hat zu diesem Thema wegweisende Experimente durchgeführt und bekommt dafür den „Nuclear Fusion Award“. Die Auszeichnung wird jedes Jahr für einen herausragenden Fachartikel verliehen.

Meist stehen in der Forschung große Entdeckungen im Rampenlicht. Viel häufiger bringen aber auch diejenigen Arbeiten echten Fortschritt, welche bestehende Theorien bestätigen – oder sie sogar erschüttern. Um Letzteres handelt es sich bei der 2018 bei der Zeitschrift „Nuclear Fusion“ eingereichten Veröffentlichung Dr. Wolfgang Suttrops, die das wichtigste Journal für Fusionsforschung in diesem Jahr als beste Veröffentlichung auszeichnet. Der IPP-Physiker am Standort Garching untersuchte die experimentellen Bedingungen, mit denen sich Plasmainstabilitäten – so genannte Edge Localised Modes (ELMs) – unterdrücken lassen. ELMs gehören zu den störenden Begleiterscheinungen beim Plasmabetrieb. Sie wurden erstmals 1981 am IPP beobachtet. Wie bei einer Sonneneruption kommt es regelmäßig zum stoßweisen Ausstoß von heißem Plasma. „Diese kurzzeitigen Wärmepulse belasten die Gefäßwand so stark, dass sie nach jetzigem Kenntnisstand den Betrieb von ITER und von späteren Fusionsreaktoren zur Energiegewinnung unmöglich machen würden“, erklärt Suttrop. Daher wird in Tokamaks – auch in ASDEX Upgrade – intensiv an Methoden geforscht, ELMs zu vermeiden.

Ein effektives Verfahren fanden Forschende im Jahr 2004 am kalifornischen Tokamak DIII-D: Sie berichteten, dass schwache magnetische Störfelder diese Plasmainstabilitäten unterdrücken können. Das war einigermaßen überraschend. Kommt es doch bei der Fusion durch Magneteinschluss in Tokamaks gerade darauf an, durch achsensymmetrisch angelegte Felder das Plasma präzise in Schach zu halten. Damals lernten die Physikerinnen und Physiker, dass leichte Abweichungen von der Achsensymmetrie Vorteile haben können. Zwar reduzieren sie die Einschlusszeit in bisherigen Versuchen um zehn bis 20 Prozent. Dafür können sie – richtig angewandt – die ELMs völlig beseitigen.

Seit 2011 erforscht auch das IPP, wie diese Störfelder platziert werden müssen. Wolfgang Suttrop trieb damals den Einbau von 16 Störspulen in das Vakuumgefäß von ASDEX Upgrade voran. Sie sind nur wenige Zentimeter vom Plasma entfernt angeordnet. Diese Magneten erzeugen ein Feld, dessen Stärke etwa ein Tausendstel der regulären Tokamak-Magneten beträgt. „Experimentell wissen wir inzwischen sehr gut, wie wir die Störfelder einsetzen müssen“, sagt Suttrop. „Die Physik dahinter verstehen wir allerdings immer noch nicht vollständig.“ Die große Frage: Funktioniert die ELM-Unterdrückung auch bei sehr viel größeren Tokamaks, also bei ITER, DEMO und späteren Fusionskraftwerken? „Um das zu beantworten, ist es sehr wichtig, die kritischen Plasmaeigenschaften im Experiment herauszuarbeiten, und nach Möglichkeit die physikalischen Ursachen zu identifizieren“, erläutert Suttrop. Seine jetzt ausgezeichnete Publikation von 2018 setzt an dieser Stelle mit Experimenten an ASDEX Upgrade an. Er und sein Team fanden heraus, dass sich ELMs bei allen Plasmarotationsgeschwindigkeiten komplett unterdrücken lassen. Das sind gute Nachrichten für ITER und DEMO.

Allerdings stehen die Ergebnisse im Widerspruch zur bislang vorherrschenden Hypothese zur ELM-Unterdrückung. „Diese Theorie erklärt den Einfluss des Störfeldes auf die ELMs mit der Entstehung kleiner magnetischer Inseln. Diese Inseln entstehen jedoch nur bei bestimmten Plasma-Rotationsgeschwindigkeiten“, sagt Suttrop. Was er herausfand: Die ELM-Unterdrückung funktioniert genauso gut bei größeren Rotationsgeschwindigkeiten, bei denen sich keinerlei magnetische Inseln nachweisen lassen. Das stellt die Insel-Theorie erst einmal in Frage. Und es erklärt die große Aufmerksamkeit, die Suttrops Veröffentlichung erfuhr. 47-mal wurde sie bisher in anderen Papers zitiert. Dazu gehören elf Zitierungen von theoretischen Plasmaphysikern. Sie haben in der Zwischenzeit neue Hypothesen entwickelt, die die experimentellen Resultate vom IPP integrieren.

Über den Nuclear Fusion Award 2021

„Nuclear Fusion“ ist die wichtigste wissenschaftliche Zeitschrift zum Thema Fusion. Jedes Jahr zeichnet sie die beste Veröffentlichung aus, die drei Jahre vorher erschienen ist. Durch diesen zeitlichen Abstand ist es möglich, die Bedeutung eines Artikels auch daran zu messen, wie oft er zitiert wurde. Dr. Wolfgang Suttrop bekommt den Preis in der zweiten Jahreshälfte auf der IAEA-Fusion Energy Conference verliehen.

Publikation:

Suttrop, W.; Kirk, A.; Bobkov, V.; Cavedon, M.; Dunne, M.; McDermott, R. M.; Meyer, H.; Nazikian, R.; Paz-Soldan, C.; Ryan, D. A. et al.; Viezzer, E.; Willensdorfer, M.; ASDEX Upgrade Team, Max Planck Institute for Plasma Physics, Max Planck Society; MST1 Team: Experimental conditions to suppress edge localised modes by magnetic perturbations in the ASDEX Upgrade tokamak. Nuclear Fusion 58, 096031 (2018)
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