Der nächste Schritt für ASDEX Upgrade

910 Projektaktivitäten in 514 Tagen: In einem komplexen Umbauvorhaben wird das Garchinger Fusionsexperiment überholt und erstmals mit Divertor-Spulen ausgestattet.

28. Juli 2022

Der Zähler im Kontrollraum von ASDEX Upgrade steht seit dem 27. Juli 2022 bei 41.570 Plasmaentladungen – und das wird sich für zwei Jahre nicht ändern. Die 41.570ste Entladung war die letzte vor dem großen Umbau des Tokamaks in Garching. ASDEX Upgrade wird nun für seine nächste Mission vorbereitet: den Test eines neuen Divertorkonzepts, bei dem die magnetischen Flussröhren in der Nähe der leistungsaufnehmenden Wandpartien, also nahe am Divertor, aufgeweitet sind. Zu diesem Zweck müssen die folgenden Hauptkomponenten installiert werden: 

  • Kryopumpen,
  • ein neuer oberer Divertor, der den alten Upper Divertor ersetzen wird,
  • zwei konzentrische In-Vessel-Spulen (also Spulen innerhalb des Vakuumgefäßes).

Um den Betrieb der mehr als 30 Jahre alten Maschine zu gewährleisten, wird eine gründliche Inspektion durchgeführt, um ihren aktuellen Zustand zu überprüfen. Darüber hinaus werden alle verschleißanfälligen Komponenten, die zur Aufrechterhaltung des Ultrahochvakuums der Maschine erforderlich sind, ersetzt. Um die durch einen Wasserschaden 2018 verursachten Reparaturarbeiten abzuschließen, werden auch die verbleibenden Dichtungen (Helicoflex) ausgetauscht, was die Demontage eines Großteils der in den unteren Porten des Gefäßes befindlichen Diagnostikgeräte erfordern wird.

Auf diese Mammut-Aufgabe hat sich die Ausbau-Gruppe um Leiterin Irene Zammuto seit zwei Jahren intensiv vorbereitet. Das Team probt an einem Modell von ASDEX Upgrade in Originalgröße alle Schritte im Zusammenhang mit der Montage des oberen Divertors. Der neue Divertor wird mit hochpräzisen wolframbeschichteten Graphitplatten ausgerüstet. Die Kernelemente des oberen Divertors sind die beiden konzentrischen Magnetspulen (mit jeweils vier Windungen), durch sie wird das Magnetfeld aufgeweitet. Aufgrund der technologischen Wahl des Leiters und der Geometrie der Spulen müssen die Spulen im Inneren des Vakuumgefäßes gebogen werden. Dazu braucht es eine spezielle 700 Kilogramm schwere Biegemaschine, die einerseits klein genug ist, um auf Schienen in das Gefäß gebracht zu werden. Andererseits muss sie genug Kraft haben, um die mehr als daumendicken Kupferleiter mit Edelstahlmantel (18 Millimeter Kupferdurchmesser plus 2,5 Millimeter Isolierschicht und 1,5 Millimeter Edelstahl) zu vier Windungen mit einem maximalen Durchmesser von 3,1 Meter zu formen.

Der Projektplan listet 910 Arbeitsschritte auf. Für jeden von ihnen ist auf den Zehntel-Arbeitstag genau vermerkt, welche Zeit dafür vorgesehen ist. Er gliedert die Arbeiten innerhalb des Vakuumgefäßes in sechs Phasen. Parallel finden Umbauten außerhalb des Gefäßes statt.  „Nach dem, was mir erfahrenere Kolleginnen und Kollegen berichteten, arbeiten wir mit dem detailliertesten Projektplan, der je am IPP Garching erstellt wurde“, sagt Irene Zammuto. Wenn alles nach diesem Plan läuft, wird ASDEX Upgrade im Juli 2024 wieder den Experimentierbetrieb aufnehmen, nach 514 Arbeitstagen und neun erreichten Meilensteinen.

Irene Zammuto weist allerdings auf Unwägbarkeiten hin, die das Team zwingen könnten, den Plan zu ändern. Dazu gehören:

  • Der Verlauf der Coronavirus-Pandemie.
  • Das Biegen der Spulen wird erstmals im März 2023 am Modell erprobt.
  • Das Ausbau-Team könnte nach der Öffnung des Vakuum-Gefäßes auf bisher unentdeckte Schäden stoßen, die zu längeren Reparaturzeiten führen würden.

Das Team wird die Fortschritte wöchentlich überprüfen. Alle zwei bis drei Monate ist mit einer aktualisierten Version des Projektplans zu rechnen.

Frank Fleschner

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