Neuer Bereich für Materialforschung im IPP

Höchstbelastbare Materialien für die Energietechnik / Berufung Professor Harald Bolt

11. Februar 1999
Für die Weiterentwicklung und Untersuchung von Materialien für Fusionsanlagen wurde im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching ein neuer Bereich "Materialforschung" gegründet. Als Leiter des Bereichs und Wissenschaftliches Mitglied wurde Professor Dr. Harald Bolt an das IPP berufen. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, daß mit den großen Fortschritten der Fusionsforschung die Entwicklung von speziellen und hochbelastbaren Baumaterialien zunehmend wichtig wird.

Ziel der Fusionsforschung ist es, ein Kraftwerk zu entwickeln, das - ähnlich wie die Sonne - Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen gewinnt. Dazu wird ein dünnes Wasserstoffplasma in Magnetfeldern wärmeisolierend eingeschlossen und auf über 100 Millionen Grad aufgeheizt. Die Wechselwirkung zwischen dem heißen Plasma und den umgebenden Wänden des Plasmagefäßes verlangt dabei besondere Aufmerksamkeit. Denn selbst der vergleichsweise "kalte" Plasmarand kann die plasmabegrenzenden Bauteile noch erheblich belasten: Dabei wird die Wand der Plasmakammer beschädigt und das Plasma unerwünscht verunreinigt. Für besonders belastete Stellen der Gefäßwand werden also Materialien gesucht, die hohe Wärmeflüsse - etwa 1 Kilowatt pro Quadratzentimeter - aushalten, durch aufprallende Plasmateilchen nicht übermäßig erodiert werden und während des Betriebs nur wenig Gas aufnehmen. Für heutige Fusionsanlagen wie ASDEX Upgrade oder Wendelstein im IPP oder das europäische Gemeinschaftsexperiment JET (Joint European Torus) in Culham/Großbritannien wurden hierfür bereits - in Zusammenarbeit mit der Industrie - spezielle Wandverkleidungen entwickelt. Zum Beispiel besitzt kohlefaserverstärkter Kohlenstoff, wie er zunächst für die Luft- und Raumfahrttechnik hergestellt wurde, die nötige Hitzebeständigkeit und Wärmeleittähigkeit. Auch spezielle Beschichtungen können die Widerstandsfähigkeit erheblich erhöhen.

Zur Zusammenfassung und Weiterführung dieser Arbeiten wurde im IPP nun der Bereich "Materialforschung" gegründet. Unter der Leitung des neu als Wissenschaftliches Mitglied an das IPP berufenen Materialforschers Prof. Dr. Harald Bolt wird sich der Bereich mit der Herstellung neuer Materialien und ihrer Untersuchung unter Plasmabelastung befassen. Über die Anwendung in heutigen Anlagen hinausgreifend, wird der Bereich auch zur Weiterentwicklung von Materialien beitragen, die für den Bau eines Fusionskraftwerks mit thermonuklear brennendem und energielieferndem Plasma geeignet sind. Aufgrund ihrer Zusammensetzung sollen diese Materialien eine möglichst niedrige Aktivierung durch die bei der Fusion entstehenden Neutronen aufweisen, die schnell abklingt und eine einfache Wiederverwendung oder Entsorgung ermöglicht.

Prof. Dr.-Ing. Dr.-Eng. Harald Bolt wurde 1960 in Köln geboren. Nach dem Studium des Maschinenbaus an der RWTH Aachen und einem mehrjährigen Forschungsaufenthalt in Japan promovierte er 1988 an der RWTH über das Verhalten von Fusionswerkstoffen unter wärmeschockartiger Oberflächenbelastung. Ab 1988 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungszentrums Jülich im dortigen Institut für Werkstoffe der Energietechnik tätig. Für Forschungsarbeiten nach Japan beurlaubt, promovierte er an der Ingenieursfakultät der Universität von Nagoya zwei Jahre später zum zweiten Mal, ebenfalls über ein materialwissenschaftliches Thema, und ging anschließend als Associate Professor an die Universität Tokio. 1992 kehrte er an das Forschungszentrum Jülich zurück und gründete dort die Arbeitsgruppe Plasma-Werkstoff-Wechselwirkung. Vom 1995 bis 1998 war er zudem Professor an der Bergischen Universität und Gesamthochschule Wuppertal mit dem Lehr- und Forschungsgebiet "Plasmatechnologie". Seit Januar ist er nun Wissenschaftliches Mitglied des IPP und Leiter des neuen Bereichs "Materialforschung".

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