Der ITER-Prozess schreitet voran

Standortbewerbungen aus Spanien und Japan / Mandatserweiterung der Europäischen Delegation / Neue Töne aus den USA

4. Juni 2002
Nachdem für den geplanten Internationalen Fusionstestreaktor ITER bereits ein Standortangebot aus Kanada vorliegt, hat nun auch Japan ein offizielles Angebot unterbreitet: Ende Mai 2002 legte der japanische Rat für Wissenschafts- und Technologiepolitik unter Vorsitz von Premierminister Koizumi die Stadt Rokkasho im Norden der japanischen Hauptinsel Honshu als Standortvorschlag Japans fest. Während eines Treffens der internationalen ITER-Verhandlungsgruppe am 4. Juni im französischen Cadarache wurde das japanische Angebot offiziell an die ITER-Partner weitergegeben.

Als Vorschlag für ein europäisches Standortangebot hat am 17. April die spanische Forschungsministerin Anna Birulés in einem Brief an den Europäischen Forschungskommissar Phillipe Busquin den Standort Vandellòs in der Nähe von Barcelona für den ITER-Bau angeboten. Frankreich hatte bereits im vergangenen Jahr Interesse bekundet, das südfranzösische Cadarache als Standort anzubieten, und unterstrich dies in einem Schreiben an Forschungskommissar Busquin Anfang Mai 2002.

Der Experimentalreaktor ITER ist der nächste große Schritt der weltweiten Fusionsforschung. Deren Ziel ist es, ein Kraftwerk zu entwickeln, das - ähnlich wie die Sonne - aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie erzeugt. Zum Zünden des Fusionsfeuers muss der Brennstoff - ein Deuterium-Tritium-Plasma - in Magnetfeldern eingeschlossen und auf hohe Temperaturen aufgeheizt werden. Aufgabe von ITER ist es, die physikalische und technische Machbarkeit der Fusion zu zeigen. Bei einer Fusionsleistung von 500 Megawatt soll die Anlage erstmals ein brennendes und energielieferndes Plasma erzeugen. Die baureifen Pläne für ITER inklusive einer Abschätzung der Investitionskosten (rund vier Milliarden Euro) wurden im Juli 2001 fertiggestellt; wesentliche Komponenten der Anlage sind bereits als Prototypen gebaut und getestet.

Die formalen Verhandlungen der internationalen Partner - Kanada, Europa, Japan und die Russische Föderation - über die mögliche Realisierung von ITER begannen im November vergangenen Jahres. Am 27. Mai 2002 hat der Europäische Ministerrat die Europäische Kommission in einer Ergänzung der bisherigen Direktive ermächtigt, die europäischen Standortvorschläge in die Unterhandlungen einzubringen und über die Kostenaufteilung unter den Partnern zu verhandeln. Ziel ist ein Abkommen, das die Rechtsform des internationalen Projektes ITER festlegt, seine Organisation, den Standort, das Personal sowie die Aufteilung der Kosten und Fertigungsaufträge auf die Partner. Das voraussichtlich bis Ende des Jahres fertiggestellte Abkommen soll dann den Regierungen der Partner vorgelegt werden.

ITER wurde seit 1988 in weltweiter Zusammenarbeit von europäischen, japanischen, russischen und US-amerikanischen Fusionsforschern vorbereitet. 1997 zogen sich die USA aus der Kooperation zurück - möglicherweise jedoch nur vorübergehend: So kündigte im April 2002 der Leiter des Office of Science im amerikanische Energieministerium, Ray Orbach, innerhalb der nächsten Monate eine Entscheidung darüber an, ob die USA dem ITER-Projekt wieder beiträten. Dies bestätigte Energieminister Spencer Abraham am 2. Mai auf dem G8-Wirtschaftsgipfel in Detroit: "Wir beraten gegenwärtig in den USA und weltweit intensiv, wie ein Fusionsprogramm am besten weiterzuführen ist. Präsident Bush ist vor allem an den Möglichkeiten der internationalen ITER-Unternehmung interessiert und hat uns gebeten, eine amerikanische Teilnahme ernsthaft zu erwägen."

Isabella Milch

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