Europäische Leitungsposition für IPP-Fusionsforscher

Prof. Dr. Karl Lackner zum Leiter des "European Fusion Development Agreement" ernannt

26. Juni 2000
Zum Leiter der unter dem "European Fusion Development Agreement" (EFDA) zusammengeschlossenen Fusionsforschung wurde Prof. Dr. Karl Lackner vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching berufen.

Der EFDA-Vertrag zwischen der Europäischen Union und den 18 im Europäischen Fusionsprogramm zusammengeschlossenen Forschungseinrichtungen trat 1999 in Kraft. Er steckt den Rahmen ab für die Europäischen Beiträge zu internationalen Zusammenarbeiten, insbesondere zu dem geplanten internationalen Experimentalreaktor ITER, für den Weiterbetrieb des Europäischen Gemeinschaftsexperimentes JET über das ursprünglich vorgesehene Projektende im Dezember 1999 hinaus sowie für die Arbeiten zur Fusionstechnologie einschließlich der Zusammenarbeit mit der Europäischen Industrie. Mit Ausnahme der physikalischen Programme der Fusionslaboratorien sind damit alle übrigen Aktivitäten der Europäischen Fusionsforschung unter EFDA zusammengefasst.

Aufgabe des EFDA-Leiters ist es, dem überwachenden Lenkungsausschuß ein Forschungs- und Entwicklungsprogramm vorzuschlagen, das die drei Arbeitsgebiete koordiniert. Nach der wissenschaftlich-technischen Beurteilung ist der EFDA-Leiter auch für die Ausführung verantwortlich. Er leitet zugleich das Europäische ITER-Home-Team mit Sitz in Garching - die bisherige NET-Gruppe - über das die Europäischen Beiträge zu ITER laufen. Professor Lackner: "Mein Ziel ist eine möglichst gute Abstimmung der drei Aktivitäten miteinander und damit eine effiziente Vorbereitung von ITER in internationalem Rahmen. Dazu gehört auch, in Europa zu einem Konsens über den ITER-Standort beizutragen".

Professor Dr. Karl Lackner, geboren am 15. August 1942 in Innsbruck, promovierte 1966 nach dem Studium der Physik an der Universität Innsbruck. Nach Forschungsaufenthalten an der STD Research Corporation in Pasadena/USA und am European Space Research Institute/Frascati ging er 1972 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching. Hier arbeitete er an zentralen Fragen der Plasmatheorie: Er beschäftigte sich mit der rechnerischen Beschreibung von Gleichgewicht und Stabilität in Fusionsplasmen, mit experimentnahen Fragen von Energie- und Teilchentransport in Tokamak-Anlagen sowie mit der Randschicht- und Divertorphysik. 1984 wurde Karl Lackner zum Wissenschaftlichen Mitglied des IPP berufen, seit 1987 ist er Honorarprofessor der Universität Innsbruck. Im Rahmen der Europäischen Fusionsforschung war er Vorsitzender des Wissenschaftlichen Rates von JET, Fachbeirats-Vorsitzender des französischen Fusionslaboratoriums in Cadarache sowie Vorsitzender des Programm-Komitees, das die Forschungsprogramme der einzelnen Europäischen Laboratorien begutachtet. Mit Beginn seines Amtes als EFDA-Leiter am 1. Juli 2000 wird er als Mitglied des IPP-Direktoriums zurücktreten, eine Aufgabe, der er sich seit 1993 widmet.

Fusionsforschung in Europa
Die Fusionslaboratorien der Europäischen Union sowie der Schweiz haben sich im Europäischen Fusionsprogramm zusammengeschlossen. Ziel ist es, die Energieerzeugung der Sonne auf der Erde nachzuvollziehen und aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie zu gewinnen. Die Fusion könnte eine der wenigen Möglichkeiten sein, die heute überwiegend zur Energieversorgung genutzten fossilen Brennstoffe zu ersetzen. Brennstoff für diese nahezu unerschöpfliche Energiequelle ist ein dünnes Gas aus den beiden Wasserstoffsorten Deuterium und Tritium. Zum Zünden des Fusionsfeuers muß es gelingen, den Brennstoff in Magnetfeldern einzuschließen und auf hohe Temperaturen aufzuheizen.

Das europäische Gemeinschaftsexperiment Joint European Torus (JET) in Culham/England ist die weltweit größte Fusionsanlage. Ihr Plasma kommt in vielem bereits einem Kraftwerksplasma nahe. Im Deuterium-Tritium-Betrieb hat JET 1997 kurzzeitig eine Fusionsleistung von 16 Megawatt erzeugt und dabei bereits 65 Prozent der zur Plasmaheizung verbrauchten Energie als Fusionsenergie zurückgewonnen. Seit Beginn diesen Jahres ist JET kein selbständiges Gemeinschaftsprojekt der beteiligten Europäischen Fusionslaboratorien mehr, sondern wird von dem englischen Fusionslabor der UKAEA in Culham betrieben. Zugleich arbeiten die Europäischen Laboratorien mit zeitweise abgeordneten Wissenschaftlern und Technikern in einzelnen Experimentierkampagnen an der Anlage. So kann das leistungsfähige JET-Experiment über das ursprünglich vorgesehene Betriebsende hinaus zur Vorbereitung des internationalen Testreaktors ITER genutzt werden. Dessen Aufgabe ist es, zum ersten Mal ein für längere Zeit energielieferndes Plasma zu erzeugen und technische Funktionen eines Fusionskraftwerks zu testen. Mögliche ITER-Standorte liegen in Europa, Kanada oder Japan.

Zur Redakteursansicht