Einweihung der neuen Gebäude des IPP-Teilinstituts Greifswald
Bundeskanzler Schröder eröffnet Standort für das Fusionsexperiment Wendelstein 7-X
Das Teilinstitut Greifswald des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) wurde 1994 gegründet. Der Neubau wurde in drei Jahren Bauzeit termin- und budgetgerecht fertiggestellt, so dass die Mitarbeiter im April 2000 einziehen konnten. Hier entsteht nun das Fusionsexperiment Wendelstein 7-X, die weltweit größte und modernste Anlage ihrer Bauart.
Den architektonischen Charakter des Gebäudes bestimmt vor allem das wellenförmige Dach. In Gestalt einer "Ostsee-Welle" sorgt es für die wettergeschützte Verbindung aller Institutsteile und schafft zugleich mit einfachen Mitteln ein unverwechselbares Aussehen. Alle Bauaufträge wurden europaweit ausgeschrieben. Dennoch konnten mehr als 80 Prozent des Auftragsvolumens von Firmen mit Hauptsitz oder Niederlassung in Mecklenburg-Vorpommern und angrenzenden Gebieten Brandenburgs gewonnen werden.
Fusionsforschung mit Wendelstein 7-X
Ziel der Fusionsforschung ist es, ähnlich wie in der Sonne aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie zu gewinnen. Da die für den Fusionsprozeß nötigen Grundstoffe in nahezu unbegrenzter Menge überall vorhanden sind und ein Fusionskraftwerk günstige Sicherheits- und Umwelteigenschaften verspricht, könnte die Fusion eine der wenigen Möglichkeiten sein, die heute überwiegend genutzten fossilen Brennstoffe zu ersetzen. Dazu muß es gelingen, den Fusionsbrennstoff - ein "Plasma" aus den Wasserstoffsorten Deuterium und Tritium - wärmeisoliert in Magnetfeldern einzuschließen und auf Temperaturen über 100 Millionen Grad aufzuheizen.
Mit rund 1000 Mitarbeitern ist das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching und Greifswald eines der größten Zentren für Fusionsforschung in Europa. Als weltweit einziges Institut werden hier die beiden Haupttypen von Fusionsanlagen - Tokamaks und Stellaratoren - parallel zueinander entwickelt, was den direkten Vergleich möglich macht: In Garching betreibt das IPP den Tokamak ASDEX Upgrade - die größte deutsche Fusionsanlage - sowie den Stellarator Wendelstein 7-AS. Im Teilinstitut Greifswald, wo man sich auf die Weiterentwicklung der Stellaratoren konzentriert, entsteht der Nachfolger Wendelstein 7-X. Voraussichtlich 2006 wird die Anlage in Betrieb gehen.
Weltweit die meisten Fusionsanlagen sind heute vom Typ Tokamak. Während diese Anlagen das Magnetfeld zum Teil mit Hilfe eines im Plasma fließenden elektrischen Stroms herstellen, benutzen Stellaratoren ausschließlich äußere Magnetspulen. Daher fallen alle mit dem Plasmastrom der Tokamaks verbundenen Nachteile weg: Zum Beispiel sind Stellaratoren für Dauerbetrieb geeignet. Obwohl ihre Magnetspulen komplexer geformt sind, könnten sie also die technisch einfachere Lösung sein.
Allerdings war der Magnetfeldkäfig früherer Stellaratoren von nur mäßiger Qualität. Dies änderte sich erst mit der Stellarator-Optimierung des IPP. Die Gruppe "Stellarator-Theorie" untersuchte in mehr als zehnjähriger Arbeit den weiten Raum möglicher Stellarator-Konfigurationen - ein großer Rechenaufwand, der erst mit Hilfe der modernen Großcomputer zu bewältigen war. Die für den Magnetfeldkäfig gewünschten Eigenschaften wurden schrittweise einbezogen und so das bezüglich Plasmagleichgewicht, Stabilität und Einschlussvermögen beste Feld entwickelt. Ergebnis ist das Spulensystem von Wendelstein 7-X mit seinen 50 nicht-ebenen Einzelspulen. Sein Magnetfeld sollte überlegene Einschlusseigenschaften besitzen, die man früher in einem Stellarator noch für unmöglich hielt.
Mit Temperaturen bis 100 Millionen Grad soll das Wendelstein-Plasma überzeugende Schlüsse auf die Kraftwerkseigenschaften der Stellaratoren ermöglichen. Dazu ist es nicht nötig, ein energielieferndes Fusionsplasma herzustellen. Daher wird das Wendelstein-Experiment ohne den radioaktiven Brennstoffbestandteil Tritium arbeiten. Informationen über das Verhalten eines brennenden Plasmas soll der in weltweiter Zusammenarbeit geplante Tokamak-Testreaktor ITER liefern.
Die Gesamtinvestitionen für das IPP-Teilinstitut Greifswald (Experiment, Diagnostik, Gebäude) belaufen sich auf beinahe 600 Mio DM. Hierzu stellt das Land Mecklenburg-Vorpommern allein rund 120 Mio DM für die Infrastruktur bereit. Von den verbleibenden etwa 480 Mio DM trägt die Europäische Union im Rahmen des Europäischen Fusionsprogramms etwa ein Drittel (für das Experiment Wendelstein 7-X sogar 45 Prozent). Die restlichen zwei Drittel finanzieren Bund und Land Mecklenburg-Vorpommern im Verhältnis 9:1. Von später rund 300 Mitarbeitern arbeiten im Teilinstitut Greifswald derzeit 130; achtzig Prozent der neu eingestellten Mitarbeiter kommen aus der Region.
Isabella Milch