Experten-Gruppe für Fusionsrechnungen im IPP eingerichtet

Spezialisten im IPP betreuen schnelle Computercodes / Unterstützung für Forscher aus ganz Europa

18. Mai 2009
Mit einer Auftaktveranstaltung am 20. Mai 2009 nimmt im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching bei München eine Experten-Gruppe für Höchstleistungsrechnungen in der Fusionsforschung ihre Arbeit auf. Das mit finanzieller Hilfe der Europäischen Union im IPP eingerichtete "High-Level-Support-Team" soll die Wissenschaftler des europäischen Fusionsprogramms dabei unterstützen, ihre Rechencodes für die Bearbeitung auf Supercomputern tauglich zu machen.

Ziel der Fusionsforschung ist es, ähnlich wie die Sonne aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie zu gewinnen. Um das Fusionsfeuer zu zünden, muss es gelingen, den Brennstoff – ein extrem dünnes, ionisiertes Wasserstoff-Gas, ein "Plasma" – stabil und gut wärmeisoliert in Magnetfeldern einzuschließen und auf Temperaturen über 100 Millionen Grad aufzuheizen. Das komplexe Plasmaverhalten erkundet man auf experimentellem Weg in zahlreichen Fusionsanlagen. Nächster großer Schritt ist der internationale Fusionstestreaktor ITER (lat. "der Weg"), der zurzeit in weltweiter Zusammenarbeit in Cadarache/Südfrankreich aufgebaut wird. Aber auch die rechnerische Beschreibung der Fusionsplasmen hat eine bemerkenswerte Leistungsfähigkeit erreicht. Langfristiges Ziel ist es, die Vorgänge in einem Fusionsplasma – darunter turbulente Bewegungen im Plasma, Vorgänge in der Plasmarandschicht oder die Wirkung verschiedener Heizverfahren – vollständig auf dem Rechner simulieren zu können.

Abgesehen vom physikalischen Verständnis sind für solche Simulationen schnelle Höchstleistungsrechner nötig: Der HPC-FF (High Performance Computer for Fusion) mit einer Rechenleistung von 100 Teraflop/s, also rund hundert Billionen Rechenschritten pro Sekunde, wird demnächst im Forschungszentrum Jülich für Fusionsforscher aus ganz Europa verfügbar sein. Ein gut zehnfach schnellerer Petaflop-Rechner soll ab 2012 in japanisch-europäischer Kooperation für das Internationale Fusionsforschungszentrum (IFERC) in Rokkasho beschafft werden. Je schneller die Computer große Datenmengen verarbeiten können, desto anspruchsvollere Probleme lassen sich lösen: Mit einem Petaflop-Rechner sollten Simulationen über das volle Volumen des 800 Kubikmeter großen ITER-Plasmas möglich werden.

Um über 100 Billionen Rechenschritte in einer Sekunde abzuarbeiten – einige Millionen Jahre lang würde dies per Taschenrechner dauern – nutzen die modernen Superrechner zehntausende von Prozessoren gleichzeitig. Für solche “massiv parallelen Systeme" sind die Rechencodes der Plasmatheoretiker jedoch nicht von vorneherein geeignet. Um die enorme Leistungsfähigkeit der Computer richtig ausnutzen zu können, müssen daher die Spezialisten in Garching die Programmierung mit raffinierten mathematischen Methoden genau auf die verteilte Rechenkapazität zuschneiden. "Fünf Mitglieder der Expertengruppe werden im IPP und im Rechenzentrum Garching arbeiten, die beide auf dem Gebiet der Computational Physics langjährige Erfahrung besitzen. Vier weitere Mitarbeiter sind in anderen europäischen Fusionslaboratorien zu Hause", erklärt Prof. Dr. Sibylle Günter, Leiterin des IPP-Forschungsbereiches ‚Tokamaktheorie' und Vorsitzende des HPC-Rates.

Aufgabe des HPC-Rats ist es unter anderem, den optimalen Gebrauch des Jülicher Rechners sicherzustellen: "Mit HPC-FF in Jülich und der Expertengruppe im IPP in Garching ist die europäische Fusionsforschung mit den nötigen Werkzeugen und Kenntnissen ausgestattet, um die ITER-Experimente effektiv vorzubereiten und auszuwerten. Und wir können jetzt numerische Modelle erarbeiten, die zum Entwerfen eines Demonstrationskraftwerks gebraucht werden", meint Prof. Günter. Ziel ist es außerdem, die europäischen Fusionstheoretiker für die kommende Computer-Generation, die Petaflop-Rechner, fit zu machen: "Dazu müssen wir jetzt mit dem Training der Wissenschaftler und der Weiterentwicklung der Rechencodes beginnen."

Während der Auftaktveranstaltung am 20. Mai im IPP stellen sich die ersten Theorie-Projekte vor, die der HPC-Rat aus zahlreichen aus ganz Europa eingegangenen Anträgen zur Optimierung ausgewählt hat. Zunächst für vier Jahre wird das HPC-Projekt im Rahmen des European Fusion Development Agreement (EFDA) finanziert, dann steht die Entscheidung über eine Verlängerung an.

Isabella Milch

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