Einführung
Für die Leistungsfähigkeit von Fusionsanlagen ist die Entwicklung widerstandsfähiger Materialien von großer Bedeutung
Wandkontakt des Plasmas
Das magnetisch eingeschlossene Plasma in einer Fusionsanlage ist von der „Ersten Wand“ des Plasmagefäßes umgeben, die in direktem Kontakt mit dem Plasma steht: Denn obwohl die geladenen Plasmateilchen im magnetischen Käfig gefangen sind, können einzelne Partikel beim Zusammenstoß mit anderen Teilchen ihre Ladung verlieren und entweichen. Auf der großen Fläche der Ersten Wand verursachen diese energiereichen Atome Erosionsprozesse, die möglichst klein gehalten werden müssen.
Hinzu kommt, dass die Randschicht des Plasmas gezielt auf speziell ausgerüstete Platten am Boden des Gefäßes gelenkt wird, in den sogenannten Divertor. Auch hier kommt das Plasma also in intensiven Kontakt mit der Wand. Die hohen Ionen- und Elektronen-Flüsse können zu starker Wärmebelastung und, je nach Betriebsbedingungen, auch zu deutlicher Erosion führen. Die von den aufprallenden Plasmateilchen aus der Wand herausgelösten Partikel können in das Plasma eindringen und es verunreinigen.
Geeignete Materialien
Für belastete Bauteile wurden weltweit in Experimentieranlagen vornehmlich Graphite und kohlefaser-verstärkte Kohlenstoffe eingesetzt. Denn leichte Materialien mit niedriger Kernladungszahl Z wie Kohlenstoff (Z = 6) können in Konzentrationen von einigen Prozent ins Plasma gelangen, ohne die Plasmaeigenschaften merklich zu verschlechtern. Gleiches gilt für Bor und Beryllium. Nachteil dieser „leichten“ Materialien ist jedoch, dass sie leicht erodiert werden. Deshalb soll in künftigen Fusionskraftwerken Wandmaterial mit hoher Kernladungszahl, insbesondere Wolfram (Z = 74) verwendet werden, das unter geeigneten Bedingungen kaum abgetragen wird. Andererseits darf Wolfram im Plasma auch nur in geringen Konzentrationen von 10 ppm (parts per million) enthalten sein. Untersuchungen mit der Fusionsanlage ASDEX Upgrade haben jedoch gezeigt, dass der Betrieb mit einer vollständig mit Wolfram bedeckten Wand möglich ist.
Besonders belastet – der Divertor
Der Divertor ist besonderen Belastungen ausgesetzt, weil hier energiereiche Teilchen aus dem Plasma auftreffen, bevor sie neutralisiert und abgepumpt werden. Die Oberflächen des Divertors müssen daher extremen Leistungsflüssen in der Größenordnung von 10 Megawatt pro Quadratmeter standhalten (bei Wasserstoffteilchenflüssen von 1024 m² s-1). Der Test von Bauteilen und Materialien, die für diese Bedingungen optimiert wurden, ist daher eine wichtige Aufgabe des Projekts Plasma-Wand-Wechselwirkung. Diese Tests laufen sowohl in speziellen Laboreinrichtungen als auch direkt am Fusionsexperiment ASDEX Upgrade.
Optimierte Kraftwerksmaterialien
In einem künftigen Kraftwerk werden die Materialien zudem mit hohen Neutronenflüssen belastet. Denn die in einem brennenden Plasma entstehenden Neutronen laden einen Teil ihrer Energie in der Ersten Wand ab. Dabei erwärmt sich das Wandmaterial und seine Atome werden umgelagert. Zusätzlich wird das Material aktiviert und die entstehenden Umwandlungsprodukte – zum Beispiel Wasserstoff- oder Helium-Atome – beeinflussen das Materialverhalten. Durch geschickte Wahl der Elementzusammensetzung lässt sich die Neutronenaktivierung jedoch in engen Grenzen halten. Ebenso sind bereits gute Erfolge bei der Entwicklung von Materialien zu verzeichnen, die nur geringe Änderungen ihrer Eigenschaften unter Neutronenbestrahlung aufweisen.