Eckdaten für Fusionstestreaktor ITER neu festgelegt

ITER-Partner genehmigen Vorentwurf für kostenreduzierten Testreaktor

15. Januar 2000

Den vom Direktor des ITER-Projekts präsentierten Eckdaten für die kostenreduzierende Überarbeitung des ITER-Entwurfs hat das Aufsichtsgremium des Projektes auf seiner Sitzung am 19. und 20. Januar 2000 in Tokio/Japan zugestimmt.

Dem ITER-Rat gehören Regierungsvertreter sowie Wissenschaftler aller Partner an. Der Internationale Thermonukleare Experimentalreaktor ITER ist der nächste große Schritt in der Entwicklung der Fusion. Er wird von den großen Fusionsprogrammen der Welt - in Europa, Japan und der Russischen Föderation - gemeinsam vorbereitet. Der Testreaktor soll zeigen, dass es möglich ist, die Energieerzeugung der Sonne auf der Erde nachzuvollziehen und aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie zu gewinnen.

Der neue ITER
Die Überarbeitung des ITER-Entwurfes wurde nötig, weil die ursprüngliche, 1998 fertiggestellte Planung angesichts der Finanzschwierigkeiten in den Partnerländern kostensparend modifiziert werden sollte. Dazu waren die technischen Ziele der Anlage abzuschwächen, ohne die programmatischen Ziele zu verletzen. So weit als möglich sollte dabei auf die vorhandenen Entwürfe zurückgegriffen werden. Der Prozess des Abwägens zwischen angestrebter Kostensenkung einerseits und erreichbaren Betriebsbedingungen und technischen Zielen andererseits ist mit dem jetzt genehmigten Vorentwurf abgeschlossen: Mit einer Verkleinerung des Plasmavolumens von ursprünglich 2000 auf 840 Kubikmeter lassen sich die Baukosten von 13 Milliarden Mark ungefähr halbieren. Die größten Einsparungen ergeben sich bei den Gebäuden und den supraleitenden Magnetspulen, deren Kosten durch die Größenreduzierung um mehr als die Hälfte geringer werden. (Wenn die Planungsdetails für eine industrielle Kostenanalyse erarbeitet sind, werden genauere Angaben möglich). Der von den Spulen erzeugte Magnetfeldkäfig schließt einen Plasmaring ein, dessen Radius von zuvor 8 auf jetzt 6 Meter gekürzt wurde. Daraus folgt eine reduzierte Fusionsleistung von 500 Megawatt (zuvor 1500) und ein Energiegewinnungsfaktor von etwa 10, d.h. das zehnfache der zur Plasmaheizung aufgewandten Energie wird als Fusionsenergie gewonnen.

Neben der Verkleinerung der Anlage und der damit verbundenen Einschränkung der technischen Ziele konnte man zur Kostensenkung ebenso neue technologische Erkenntnisse nutzen. So sind die im ITER-Technologieprogramm (siehe IPP-Presseinformation 13/99) gewonnenen fertigungstechnischen Erfahrungen kostensparend in den Neuentwurf eingeflossen. "Auf diese Weise ist es gelungen, das ursprüngliche Konzept so zu verändern", so der ITER-Direktor, Dr. Robert Aymar, "dass auch die verkleinerte Maschine - wenn auch mit weniger anspruchsvollen Zielwerten - alle zur Vorbereitung eines Fusionskraftwerks nötigen Aspekte untersuchen kann. Mit dem jetzt auf 6 Meter reduzierten Plasmaradius haben wir dabei allerdings die unterste Grenze erreicht."

Hintergrund
Das mit ITER angestrebte Ziel der weltweiten Fusionsforschung ist es, erstmals ein für längere Zeit energielieferndes Plasma zu erzeugen. Zudem soll der Experimentalreaktor wesentliche technische Funktionen eines Fusionskraftwerks testen. Brennstoff für diese nahezu unerschöpfliche Energiequelle ist ein dünnes Gas aus den beiden Wasserstoffsorten Deuterium und Tritium. Zum Entfachen des Fusionsfeuers muss es gelingen, den Brennstoff in Magnetfeldern einzuschließen und auf hohe Temperaturen aufzuheizen.

Das ITER-Projekt wurde 1985 in Gesprächen des damaligen sowjetischen Generalsekretärs Gorbatschow mit den Präsidenten Frankreichs und der USA, Mitterand und Reagan, eingeleitet. Von 1988 bis 1990 arbeitete die europäisch-japanisch-amerikanisch-russische ITER-Studiengruppe im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching als Gastlabor am Entwurf des Testreaktors. In der anschließenden detaillierten Planungsphase von Juli 1992 bis Juli 1998 war das gemeinsame Team an drei Fusionszentren beschäftigt: in San Diego/USA, im japanischen Naka und wiederum am IPP in Garching. Mit dem im Juni 1998 vorgelegten Abschlussbericht lagen erstmals detaillierte Baupläne für einen experimentellen Fusionsreaktor vor - das gebündelte physikalische und technologische Wissen der weltweiten Fusionsforschung.

Obwohl damit aus wissenschaftlich-technischer Sicht aller Beteiligten eine ausreichende Grundlage für den Bau der Anlage vorlag und die Kosten von 13 Milliarden Mark im zuvor genehmigten Finanzrahmen blieben, konnte man dennoch - angesichts der Finanzschwierigkeiten in den Partnerländern - nicht zu einer Bauentscheidung kommen. 1998 zogen sich die USA - zumindest vorübergehend - aus dem Projekt zurück, beteiligten sich aber noch bis Mitte 1999 an den ITER-Technologieprojekten. Die verbleibenden Partner beschlossen, den ITER-Entwurf kostensparend zu überarbeiten. Die Planungsphase wurde daher um drei Jahre verlängert und zugleich mit Vorverhandlungen für den gemeinsamen Bau von ITER begonnen. Die Planungsarbeiten auf der Basis des jetzt genehmigten Vorentwurfs sollen Mitte 2001 beendet sein. Ungefähr zehn Jahre nach der Baugenehmigung könnte ITER das erste Plasma erzeugen.

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