Fusionsexperiment JET setzt Weltrekordmarken

13 Megawatt Fusionsleistung erzeugt / Entladungen mit Deuterium-Tritium-Plasmen

23. September 1997
Das Europäische Fusionsexperiment JET (Joint European Torus) in Abingdon/Großbritannien, an dem auch das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) beteiligt ist, hat in den vergangenen Tagen begonnen, mit einer Brennstoff-Mischung aus gleichen Teilen der beiden Wasserstoffsorten Deuterium und Tritium zu experimentieren. Diese Brennstoff-Mischung ist auch für ein späteres Fusionskraftwerk vorgesehen. Dabei hat JET in einer der Entladungen bereits eine Rekord-Fusionsleistung von 13 Megawatt (eine Fusionsenergie von 11 Megajoule) erzeugt. Ein wichtiger Maßstab für den Erfolg ist auch das Verhältnis von erzeugter Fusionsleistung zur aufgewendeten Heizleistung: Dies betrug 60 Prozent, mehr als das Doppelte des bisher erreichten.

Alle drei Ergebnisse - die Fusionsleistung, die Fusionsenergie und das Verhältnis von Fusions- zu Input-Leistung - sind Weltrekorde.

Mit diesen Experimenten hat JET seine wissenschaftlichen Zielvorgaben erreicht und die eigenen Vorexperimente mit Tritium aus dem Jahr 1991 um das 6 fache übertroffen. Damals war es mit JET zum ersten Mal in der Geschichte der Fusionsforschung gelungen, nennenswerte Fusionsleistung zu erzeugen, allerdings mit einem verdünnten Plasma mit nur 10 Prozent Tritium-Gehalt. Auch die Ergebnisse des amerikanischen Fusionsexperimentes TFTR (Tokamak Fusion Test Reactor) in Princeton hat JET nun überboten.

Die jetzigen JET-Experimente stehen am Anfang einer längeren Meßkampagne: Genauer untersucht werden soll vor allem, unter welchen Umständen sich durch die Verwendung von Tritium das Einschlußvermögen des magnetischen Käfigs verbessert und das Plasma leichter in das günstige H-Regime gelangen kann. Dieser seit einiger Zeit bekannte "Isotopeneffekt" ist für die Vorbereitung des geplanten Testreaktors ITER von Bedeutung. Ebenso wichtig für ITER sind die JET-Studien zum Verhalten eines Fusionsplasmas in der Nähe der Zündung sowie zur Selbstheizung des Plasmas durch die bei der Fusion entstehenden Heliumkerne.

JET und das Europäische Fusionsprogramm
Die JET-Ergebnisse bestätigen die hohe Leistungsfähigkeit des Europäischen Fusionsprogramms und die gute Zusammenarbeit zwischen JET und den einzelnen Assoziationen des Programms. Die rund 700 JET-Mitarbeiter und der Jahresetat von etwa 150 Millionen DM werden von den Ländern der Europäischen Gemeinschaft sowie der Schweiz gestellt, die ihre einzelstaatlichen Anstrengungen auf dem Gebiet der Fusionsforschung zu einem gemeinsamen Programm zusammengeschlossen haben. Ab 1973 wurde JET, das weltweit größte Fusionsexperiment, von den Europäern gemeinsam konzipiert und seit 1983 gemeinsam betrieben.

Ziel der Fusionsforschung ist es, ein Fusionskraftwerk zu entwickeln, das - ähnlich wie die Sonne - Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen gewinnt. Da der Brennstoff in nahezu unerschöpfbaren Mengen überall auf der Erde vorhanden ist und ein Fusionskraftwerk günstige Umwelt- und Sicherheitseigenschaften erwarten läßt, könnte die Fusion einen nachhaltigen Beitrag zur Energieversorgung der Zukunft leisten. Brennstoff der Fusion ist ein dünnes ionisiertes Gas, ein sogenanntes "Plasma", aus den beiden Wasserstoffsorten Deuterium und Tritium. Zum Zünden des Fusionsfeuers wird der Brennstoff in einem Magnetfeldkäfig eingeschlossen und auf hohe Temperaturen aufgeheizt. Oberhalb einer Temperatur von 100 Millionen Grad beginnt das Plasma zu "brennen": Die Wasserstoffkerne verschmelzen miteinander zu Helium, wobei nutzbare Energie freigesetzt wird.

Gegenwärtig ist JET die weltweit führende Fusionsanlage. Seit der Stillegung des amerikanischen Großexperimentes TFTR im April 1997 ist JET die einzige Fusionsanlage, die mit Deuterium-Tritium-Plasmen experimentieren kann. Das für die Zündung des Plasmas entscheidende Produkt aus Plasmatemperatur, Plasmadichte und Wärmeisolation ist nur noch um einen Faktor 6 entfernt von dem Wert für ein selbständig brennendes Plasma, das sich nach Abschalten der äußeren Heizung alleine weiterheizt. Der große Fortschritt wird deutlich im Vergleich zu den Werten des Jahres 1970, als die Überlegungen zum Bau von JET begannen: Damals waren die weltbesten Experimente um einen Faktor 25.000 von der Zündbedingung entfernt.

Ein selbständig brennendes Plasma soll JET allerdings nicht herstellen. Dies ist Aufgabe des in weltweiter Zusammenarbeit geplanten Testreaktors ITER (Internationaler Thermonuklearer Experimentalreaktor), der gegenwärtig von einer amerikanisch-europäisch-japanisch-sowjetischen Studiengruppe geplant wird. Der Testreaktor soll eine Fusionsleistung von 1000 Megawatt über Zeiträume von etwa einer Stunde liefern. Damit soll er erstmals ein längere Zeit selbstständig brennendes Plasma erzeugen sowie außerdem die technischen Komponenten eines Fusionskraftwerks weiterentwickeln und testen.

Isabella Milch

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