Highlights 2013

Forschungsnachrichten aus dem Bereich Plasmarand und Wand

H-mode-Dichtelimit, M. Bernert

Nov 2013

Zukünftige Fusionsreaktoren werden voraussichtlich in der H-mode (high confinement mode) betrieben. Um die produzierte Fusionsleistung zu erhöhen, ist es wünschenswert, die Dichte des Plasmas in der H-mode zu maximieren. Dies ist jedoch durch das sogenannte H-mode-Dichtelimit begrenzt.



Das H-mode-Dichtelimit wurde nun am Tokamak ASDEX Upgrade am IPP Garching erforscht. Es wurden vier Phasen des Zusammenbruchs der H-mode identifiziert, die unterschiedlichen Einfluss auf den Energieinhalt und den Dichteanstieg des Plasmas haben. Diese Phasen sind eine normale H-mode (grün) gefolgt von einer degradierenden H-mode (gelb). Die Phase des Zusammenbruchs der H-mode (rot) führt schließlich zu der L-mode (low confinement mode) (blau).  Anhand dieser Klassifizierung wurde eine Erklärung des H-mode-Dichtelimits gefunden, die auch mit den Beobachtungen früherer Experimente übereinstimmt. Die Erklärung basiert auf der Kopplung zweier Effekte: Einem erhöhten Wärmetransport am Rand des Plasmas und der Ionisation des neutralen Gases außerhalb des eingeschlossenen Plasmas.

Versuche an anderen Tokamaks, wie zum Beispiel dem derzeit größten Tokamak JET in Culham bei Oxford, werden nun mit der neu gefundenen Methode analysiert um dadurch Rückschlüsse für ITER und weitere zukünftige Tokamaks ziehen zu können.

Mit dieser Arbeit hat Matthias Bernert am 23.10.2013 an der LMU München promoviert.

http://edoc.ub.uni-muenchen.de/16262/

Otto-Hahn-Medaille für IPP-Nachwuchswissenschaflter

Auf ihrer Hauptversammlung in Potsdam würdigte die Max-Planck-Gesellschaft am 5. Juni 2013 junge Wissenschaftler, die in ihrer ersten Schaffensperiode exzellente Leistungen vollbracht haben, mit der Otto-Hahn-Medaille. Dr. Gregor Birkenmeier, Nachwuchswissenschaftler des IPP in Garching, gehört zu den insgesamt 30 Preisträgern. Er erhielt die Auszeichnung für seine an der Plasmaanlage TJ-K des Instituts für Plasmaforschung der Universität Stuttgart durchgeführte Doktorarbeit: die genaue experimentelle Untersuchung der dreidimensionalen mikroskopischen Struktur der Turbulenz in magnetisierten Plasmen.

Turbulenz und der damit verbundene Transport von Masse und Energie sind in neutralen Flüssigkeiten und Plasmen allgegenwärtig. Sowohl in magnetisierten astrophysikalischen als auch in Fusionsplasmen spielt der turbulente Transport eine zentrale Rolle. Dr. Gregor Birkenmeier hat mit seiner Doktorarbeit die ersten detaillierten experimentellen Untersuchungen zur räumlichen Struktur des turbulenten Plasmatransports in einem dreidimensionalen Magnetfeld vorgelegt. Er konnte eindeutig nachweisen, dass die Krümmung des Magnetfeldes als wesentlicher Parameter auf den turbulenten Transport einwirkt. Dadurch fanden frühere theoretische Modelle eine experimentelle Bestätigung.

Darüber hinaus hat Dr. Gregor Birkenmeier die Wechselwirkung von selbstgenerierten Scherströmungen mit der Turbulenz genau untersucht. Er hat nachgewiesen, dass aus der Turbulenz heraus selbsterregte Zonalströmungen den Transport nachhaltig unterdrücken und er konnte insbesondere aufzeigen, dass dies durch eine räumliche Phasenverschiebung zwischen Dichte- und Potentialstörung bewirkt wird.

Mit der Vergabe der Otto-Hahn-Medaille möchte die Max-Planck-Gesellschaft begabte Nachwuchswissenschaftler zu einer späteren Hochschul- oder Forscherkarriere motivieren. Die mit einem Anerkennungsbetrag von 7.500 Euro verbundene Auszeichnung wird jährlich vergeben.

Julia Sieber

Veröffentlichungen:

G. Birkenmeier, M. Ramisch, P. Manz, B. Nold, and U. Stroth, Phys. Rev. Lett. 107, 025001 (2011)

G. Birkenmeier, M. Ramisch, G. Fuchert, A. Köhn, B. Nold, and U. Stroth, Plasma Phys. Control. Fusion 55 (2013) 015003

G. Birkenmeier, M. Ramisch, B. Schmid, and U. Stroth, Phys. Rev. Lett. 110, 145004 (2013)




Hochpräzisionsmessungen des radialen elektrischen Felds an ASDEX Upgrade

In magnetisch eingeschlossenen Fusionsplasmen wird während des Übergangs von einem turbulenten Plasmaregime mit niedrigem Energieeinschluss (L-mode) in ein Regime mit hohem Energieeinschluss (H-mode) eine Transportbarriere am Rand des Plasmas aufgebaut. Diese erstreckt sich typischerweise nur über die äußersten 5% des eingeschlossenen Plasmas. Verscherte Plasmaströmung senkrecht zum Magnetfeld, hervorgerufen durch ein radiales elektrisches Feld Er, spielt eine wesentliche Rolle für die Unterdrückung der Turbulenz am Plasmarand und damit für den Übergang in die H-mode. Daher ist das Wechselspiel zwischen makroskopischen Strömungen und mikroturbulentem Transport ausschlaggebend um den Einschluss des Plasmas zu verstehen.

Am Tokamak ASDEX Upgrade (AUG) wurden neue optische Diagnostiken an der Innen- und an der Außenseite installiert um das radiale elektrische Feld zu bestimmen. Die Messungen beruhen auf Ladungsaustauschspektroskopie im sichtbaren Spektralbereich. Diese neuen Diagnostiken ermöglichen die Messung zeitlich und räumlich hochaufgelöster Profile der Ionentemperatur, Verunreinigungsdichte und Rotationsgeschwindigkeit einer bestimmten Ionenspezies. Mithilfe der radialen Kraftbilanz wird das Er-Profil direkt aus den Messdaten und erstmals sowohl an der Hochfeld- als auch der Niederfeldseite bestimmt. Die Diagnostik ermöglichen eine bisher nicht erreichte hochpräzise Lokalisierung (2-3 mm) des Er-Profils. Es hat sich herausgestellt, dass die Position der maximalen ExB (ωExB) Scherrate mit dem Ort des steilsten Ionendruckgradienten übereinstimmt und innerhalb des Er Minimums liegt (siehe Abbildung 1). Dieses Resultat deutet darauf hin, dass die Region mit negativer Er-Verscherung entscheidend ist für den Aufbau der Randtransportbarriere.

In der radialen Kraftgleichung der Verunreinigungen ist der poloidale Rotationsterm der bestimmende Beitrag für die Auswertung von Er am Plasmarand. Ein Vergleich des Er Profils mit dem Druckgradiententerm der Hauptionen ∇pi/eni zeigt, dass dieser Term am Plasmarand in der radialen Kraftbilanz der Hauptionen dominant ist. Dies  unterstützt die Annahme, dass das Er Minimum durch die Gradienten der Hauptionen hervorgerufen wird. Die Übereinstimmung zwischen dem Er Minimum und dem maximalen Druckgradiententerm der Hauptionen ist im Einklang mit der Tatsache, dass sich die poloidale Strömung der Hauptionen neoklassisch verhält.



Spröder Werkstoff wird pseudoduktil: Wolframfaserverstärktes Wolfram

Wegen  einer einzigartigen Eigenschaftskombination ist Wolfram ein vielversprechender Kandidat für den Einsatz an plasmabelasteten Bauteilen in einem zukünftigen Fusionskraftwerk. Seine inhärente Sprödigkeit und damit fehlende Schadenstoleranz schränkt die Nutzungsmöglichkeiten aber erheblich ein. Vor allem der geringe Widerstand gegen eine Versprödung während des Einsatzes, als Folge von Rekristallisation oder Strahlungsschäden, ist ein bis dato ungeklärtes Problem.

Ein möglicher Lösungsansatz ist, Strukturen zu schaffen, welche lokale Energiedissipation ermöglichen und dadurch eine Art Zähigkeit, also einen erhöhten Widerstand gegenüber Versagen, gewähren. Man spricht von extrinsischer, d.h. von außen eingebrachter  Zähigkeitssteigerung oder Pseudoduktilität. Beispiele für solche Mechanismen sind die Überbrückung von Rissen durch Fasern, Rissablenkung oder die plastische Verformung von Fasern.

Im Rahmen eines Projektes im Forschungsbereich „Plasmarand und Wand“ wird diese Idee erforscht und umgesetzt. Dabei wird Wolfram mit beschichteten Langfasern aus gezogenem Wolframdraht verstärkt. In tomographischen Untersuchungen mit hochenergetischer Synchrotronstrahlung wurden die Mechanismen der Zähigkeitssteigerung nachgewiesen und ihre Stabilität gegenüber Versprödung gezeigt. In Biegeversuchen an größeren Proben wurden ein stabiles Risswachstum und eine Verdoppelung der Lastaufnahmefähigkeit und damit Zähigkeit beobachtet. Analytische Rechnungen zeigen das erhebliche Potential von wolframfaserverstärktem Wolfram. Der neue Verbundwerkstoff besitzt im Vergleich zu bisherigen Wolframwerkstoffen eine wirkliche Schadenstoleranz bei Raumtemperatur, sowie eine Möglichkeit lokaler Energiedissipation und damit eine erhöhte Zähigkeit sowohl im Ausgangs- als auch im versprödeten Zustand.

Am 19.11.2012 hat Johann Riesch mit dieser Arbeit an der TUM mit Auszeichnung promoviert.



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