Highlights 2014
Forschungsnachrichten aus dem Bereich Plasmarand und Wand
Der Snowflake-Divertor
Das derzeit vielversprechendste Design für einen Fusionsreaktor ist der Divertor-Tokamak in „Single-Null-Konfiguration“. Die im zentralen Plasma entstandene Wärme wird hierbei in den Divertorbeinen auf die Prallplatten geleitet. Ein großes Problem ist die starke Lokalisierung dieser Flüsse, die die Materialien bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit treiben. Der „Snowflake-Divertor“ ist eine Konfiguration mit zwei zusätzlichen Divertorbeinen, die als Konzept diskutiert wird, den Wärmefluss gleichmäßiger zu verteilen. Aufgrund seiner komplexeren Topologie war es allerdings bisher nur marginal möglich, eine solche Konfiguration numerisch zu beschreiben.
In Zusammenarbeit mit dem schweizer Experiment TCV, das diese Konfiguration experimentell untersucht, sind nun mit dem am IPP entwickelten Code EMC3-Eirene erstmals Berechnungen des Snowflake-Divertors gelungen. Dabei hat sich herausgestellt, dass der Wärmefluss in die sekundären Divertorbeine tatsächlich deutlich größer ist, als bisherige Modelle vorhersagen. In absoluten Werten handelt es sich in TCV allerdings nur um einen verhältnismäßig kleinen Effekt von ~ 10 %. Ob dieser Effekt in einem deutlich größeren Reaktor zunimmt und ob eine solche Konfiguration tatsächlich reaktortauglich ist, ist Gegenstand weiterer Untersuchungen. Diese Arbeit wurde jetzt bei der Zeitschrift `Plasma Physics and Controlled Fusion' als "IOPselect“-Artikel publiziert:
T. Lunt et al. 2014 Plasma Phys. Control. Fusion 56 035009
Lineare Stabilitätsanalyse von ELMs in ASDEX Upgrade – A. Burckhart
ELM steht für ‚edge localized mode‘ und ist eine magnetohydrodynamische Instabilität, die am Rand von magnetisch eingeschlossenen Fusionsplasmen periodisch auftritt. ELMs transportieren Teilchen und Wärme aus der Region des eingeschlossenen Plasmas in die Abschälschicht. Dieser Vorgang bewirkt nicht nur, dass die eingeschlossene Energie limitiert wird, sondern erzeugt auch hohe Teilchen- und Wärmeflüsse auf die erste Wand des Tokamaks, die möglicherweise in größeren Maschinen nicht toleriert werden können. Die genaue Beschaffenheit der Instabilitäten, die für ELMs verantwortlich sind, ist jedoch noch nicht bekannt. Die Theorie, die am häufigsten zur Erklärung von ELMs herangezogen wird, ist das Peeling-Ballooning-Modell, wonach ein kritischer Randdruckgradient in Kombination mit einer Randstromdichte gekoppelte Moden schnell wachsen lässt.
In seiner Doktorarbeit mit dem Titel ‚Unterschiedliche ELM Regime in ASDEX Upgrade und deren lineare Stabilitätsanalyse‘ untersuchte Andreas Burckhart, ob das Peeling-Ballooning-Modell das Auftreten der ELMs erklären kann. Ein Beispiel wird in der Grafik dargestellt.
ELMs können durch lokales Heizen am Plasmarand beeinflusst werden. An TCV wurde gezeigt, dass die ELM-Frequenz ansteigt und der Verlust pro ELM reduziert wird, wenn die Leistungsdeposition weiter zum Rand hin verschoben wird [Rossel et al, Nucl. Fusion 2012]. An ASDEX Upgrade jedoch wird ein anderes Verhalten beobachtet. Die ELM-Frequenz steigt nicht an, sondern ein zweites Frequenzband bei höherer Frequenz entsteht, das immer dominanter besetzt wird, je weiter die Heizleistung am Rand deponiert wird. Die Peeling-Ballooning-Stabilitätsanalyse zeigt, dass das zentral geheizte Plasma marginal instabil ist, während es immer stabiler wird, je weiter die Heizung zum Rand hin verschoben wird. Dieses Verhalten ist hauptsächlich der Reduktion des Druckgradienten zuzuschreiben, da sich die Stabilitätsgrenze nicht ändert. Eine hypothetische Erklärung könnte lauten, dass ECRH an der Stelle der Deposition Turbulenz antreibt, dadurch den Transport erhöht und so am Rand die Gradienten limitiert, wodurch das Peeling-Ballooning-Stabilitätslimit nicht erreicht werden kann. Da die Reduktion der Randgradienten nicht zu einer Reduktion der ELM-Frequenz führt, sondern im Gegenteil deren Frequenz erhöht, ist dies ein Anhaltspunkt dafür, dass ein wesentlicher physikalischer Faktor im Modell fehlt.
Zwei PostDoc-Kandidaten erhalten Förderung durch “Fusion Research Fellowship”
Zwei Nachwuchswissenschaftler aus dem Bereich E2M haben sich erfolgreich um eine “Fusion Research Fellowship“ beworben. Dr. Eleonora Viezzer und Dr. Armin Manhard sind unter den 17 Kandidaten aus ganz Europa, denen dieses Stipendium im Dezember 2013 zugesprochen wurde.
Dr. Eleonora Viezzer begann am IPP Ende 2008 mit ihrer Diplomarbeit und arbeitete anschließend ab 2010 an ihrer Doktorarbeit. Im Februar 2013 promovierte sie an der Ludwig-Maximilians-Universität. Das Thema ihrer Dissertation: “Radial Electric Field Studies in the Plasma Edge of ASDEX Upgrade”.
Dr. Armin Manhard fertigte ebenfalls schon seine Diplomarbeit am IPP an. 2008 startete er mit seiner Doktorarbeit: “Deuterium Inventory in Tungsten after Plasma Exposure: A Microstructural Survey”. Er promovierte an der Universität Augsburg im Mai 2012.
Wir gratulieren Dr. Viezzer and Dr. Manhard und wünschen ihnen viel Erfolg bei der Realisierung ihrer Projekte. Eine Zusammenfassung der von ihnen eingereichten Projektvorschläge:
Eleonora Viezzer
Impact of poloidal impurity asymmetries on edge current and pedestal stability
(Einfluss poloidaler Verunreinigungsasymmetrien auf den Randstrom und die Pedestalstabilität)
Die Verbesserung und Aufrechterhaltung des Plasmaenergie-Einschlusses ist ein wichtiger Aspekt für den Betrieb von zukünftigen Fusionskraftwerken. Wichtige Faktoren sind hierbei ein stationärer Einschluss und die ökonomische Wirtschaftlichkeit. Das derzeitige Konzept hierfür ist die sogenannte H-mode, ein Plasmaregime mit hohem Energieeinschluss, das durch eine Randtransportbarriere gekennzeichnet ist. Die Stabilität der Transportbarriere wird von einem komplexen Wechselspiel zwischen Randstrom j und Druckgradienten ∇p getrieben. Um gegenwärtige Theorien, die die Stabilität der Transportbarriere voraussagen, zu testen benötigt man das j- und das ∇p-Profil mit einer sehr hohen zeitlichen (ms) und räumlichen (mm) Auflösung.
Das Ziel des Forschungsprojekts ist die hochpräzise Messung von j und ∇p um die Dynamik zwischen Randstrom und Druckgradienten besser verstehen zu können. Der Effekt von Verunreinigungen auf den Randstrom und die Stabilität der Transportbarriere wird anhand von experimentellen Messungen und dem Vergleich mit numerischen Simulationen quantitativ untersucht werden.
Armin Manhard
Influence of Different Defect Types on Hydrogen Isotope Transport and Retention in Tungsten
(Einfluss unterschiedlicher Defekttypen auf den Wasserstoffisotopen-Transport durch und seine Rückhaltung in Wolfram)
Wasserstoff ist in einem perfekten Wolframkristall nahezu unlöslich, aber Wasserstoffatome, die dennoch hineingelangen, können schnell durch das Material diffundieren. Defekte wie zum Beispiel Versetzungen, Korngrenzen und auch Fehlstellen können das Verhalten von Wasserstoff in Wolfram deutlich verändern. Sie können Wasserstoffatome binden, wodurch sie dessen Rückhaltung erhöhen und zugleich die effektive Diffusion verlangsamen. Es gibt aber auch Hinweise, dass zum Beispiel Korngrenzen als Schnellstraßen für die Wasserstoffdiffusion wirken könnten. In diesem Projekt wird die Erzeugung von Defekten in Wolframproben, die einem Wasserstoffplasma ausgesetzt wurden, sowohl mittels Elektronenmikroskopie als auch Ionenstrahlanalyse untersucht. Zusätzlich wird die Diffusion von Wasserstoff in Wolfram mit Hilfe einer elektrochemischen Doppelzelle gemessen. Diese neu aufgebaute Anlage erlaubt hochempfindliche Messungen nahe Raumtemperatur, wo bisher noch kaum Daten verfügbar sind.